Geheimtipp Nitzow – ein Ortsteil von Havelberg
Darf man als Bloggerin Geheimtipps verteilen? Ich denke als Mikrobloggerin, also als Bloggerin mit überschaubarer Leserschaft geht das. Eine Million Leute würde ich ungern in das liebliche Örtchen schicken, um das es in diesem Beitrag gehen soll.
Denn es ist ein besonderer Ort, den nur einige besondere Menschen besuchen werden. Warum? Ganz einfach – es gibt nicht so viele Betten zum Übernachten. Und dennoch oder gerade deswegen habe ich natürlich einen brandheißen Tipp für euch.
Wie in der Überschrift schon erwähnt, geht es um die kleine Ortschaft Nitzow. Der allerletzte, knapp 500 Leute zählende Ort, im nordwestlichen Sachsen-Anhalt. Nitzow gehört zur Hansestadt Havelberg und liegt wunderschön landschaftlich eingebettet zwischen Havel und weiten Wäldern.
Manchmal lässt uns das Leben wirklich überraschende Pfade treten und so rollen Marcus und ich Ende Juni durch das unscheinbare Nitzow. Gerade haben wir uns von Havelberg aus startend auf unsere morgendlichen Räder geschwungen und uns eingerollt.
Schneller Blick links, Blick rechts und ein fixer Gruß an ein paar am Straßenrand stehende Leute.
Tja, ein Ort wie so viele, wo wir eben auf unserer Radtour gen Hamburg hindurchrollen. Nicht überall können wir anhalten und dennoch spüren wir, dass hier irgendetwas anders ist.
Manchmal spricht man ja von der berühmten Energie, die so gut ist – ohne, dass man greifen könnte, was das genau sein soll.
Uns jedenfalls fallen an diesem Morgen die gepflegten Häuschen und die recht große Backsteinkirche auf. Und die wenigen Leute, die wir sehen, sind einfach nett. Schön hier.
Und dann stehen da auf einmal diese fantastischen Süßkirchen, welche jene Frau auf einem Klappstuhl damals feil bot … …und dann stehen da eben nicht nur die Kirche, die Häuschen und die Kirschen, sondern auch wir.
So schaut es also aus, mit dem Durchrollen durch einen Ort. Wir kaufen eine Tüte und damit wir sie in unseren Radtaschen nicht zerquetschen, füllen wir sie in eine unserer Brotdosen.
Verrückt, aber noch heute denken wir oft an die Kirschen. Die ersten haben wir an den Wehranlagen in Quitzöbel gekostet. Aber diese Geschichte wollte ich euch gar nicht erzählen … die Tour nach Hamburg hatte ich ja ausführlich hier geschildert.
Inhalt:
Es kommt ganz anders. Denn ich werde ein zweites Mal in diesem Jahr nach Nitzow reisen.
Wie es der Zufall will, darf ich als Pedalenspionin durch den Elb-Havel-Winkel radeln.
Und wenn ihr schon eine Weile hier mitlest, dann seid ihr im Rahmen dieser Reise mit mir ja schon an der Deichbruchgedenkstätte in Fischbeck gestartet, habt mit mir die Kirche in Schönhausen besucht, das kleine feine Örtchen Klietz unsicher gemacht. Wir haben eine Baustelle eines alten – des Offenen-Gutshauses in Neuermark-Lübars besucht und den umwerfenden Blick von der Sandauer Kirche genossen. Ein Highlight folgt dem nächsten, über Havelberg werde ich später nochmal berichten – kurzum – es ist nun unser letzter Abend und wir dinnieren biologisch wertvoll im neu eröffneten Havelberger Naturkostladen. Es ist der Moment wo wir uns nach vielen tollen Eindrücken von 3 unserer Pedalenspionenkollegen trennen. Tschüß und Danke – Ingo, Marina und Jeanett.
Ich weiß, welche Strecke nun von Havelberg nach Nitzow folgt. Genau entlang der Landstraße Nr. 3 (L3) sind wir bereits im Juni gefahren. Und nach einem wirklich ereignisreichen Tag genieße ich die 5 Kilometer entlang von Feld und Wald. Durchfahre die zwei Miniortschaften Toeppel und Dahlen.
Es geht leicht auf und ab und die abendliche Luft ist herrlich. Ein magischer Moment, während die Sonne untergeht. Ich genieße die Stille. Längst ist Björn Gaede, der Initiator der Tour schon beim Schwatzen mit Frau Spanner, als auch ich endlich den vierseitigen Havelhof in Nitzow erreiche. Durch die breite Toreinfahrt rolle ich auf den Hof und parke mein Rad. Frau Spanner empfängt mich sehr herzlich, ich fühle mich vom ersten Moment an sehr wohl auf diesem Hof.
Und während es nun wirklich dunkel wird und die Lichter im und am Haus gemütlich leuchten, genießen wir die letzten Minuten dieses Tages. Wir sitzen im Innenhof an einem schönen großen Tisch. Frau Spanner hat ihn mit Blumen dekoriert und sponsert uns zum Empfang einen Tee.
Ob sie das immer so macht, weiß ich nicht – der Havelhof hat 4 Ferienwohnungen, ich kann mir vorstellen, da bleibt nicht immer Zeit zum Tee trinken. Wir jedenfalls haben das Glück ihrer Gesellschaft und so erfahre ich, dass auch der Havelhof ein Leaderprojekt ist. Das heißt mit Hilfe von EU-Fördermitteln wird speziell die Entwicklung im ländlichen Raum gefördert.
Vielleicht habt ihr ja auch solch ein Glück wie wir. Ich für meinen Teil, lausche unheimlich gern Einheimischen wie Frau Spanner und ihren Geschichten. Vor allem höre ich gern über den Mut, auch größere Projekte anzupacken. Aus einem Kuhstall mal eben 2 Ferienwohnungen machen. Toll. Den geräumigen Innenhof dürfen übrigens alle Reisenden nutzen. Zum Sitzen, Entspannen, Grillen, zum Badminton oder um den Vögeln zu lauschen. Vielleicht auch um in mondlosen stillen Nächten unter Sternen zu träumen. Wir jedenfalls räumen nun alle Sachen nach innen und ich freue mich auf ein kuscheliges Bett. Und was soll ich euch sagen. Ihr wisst doch – der erste Eindruck im Juni in dieser Ortschaft war unter anderem die Kirche und nun liege ich nur einen Steinwurf von ihr im Bett. Der Gong begleitet mich dezent durch die Nacht. Ich mag Kirchenglocken sehr, ich weiß, das klingt etwas paradox – ich finde Kirchenglocken beruhigend.
Und so sah es in meiner Ferienwohnung aus:
Viel Zeit bleibt mir nicht in der geräumigen Wohnung, denn direkt am nächsten Morgen sitzen wir in der Küche von Frau Spanner. Wir würfeln unsere Frühstücksutensilien zusammen. Sie sponsert Kaffee, Marmelade und wir noch einen Rest Käse und Brot vom Regioladen. Sonst frühstücken die Ferienwohnungsgäste eher allein, also keine Angst – ihr werden nicht ungewollt belagert oder zugeschnattert. Björn und ich hingegen genießen als Pedalenspione sehr die Gelegenheit, nun noch ein wenig über die Geschichte des Havelhofes zu hören.
Denn leider durften die Geschwister Herr und Frau Spanner nicht durchgängig ihr Leben hier verbringen. Früher nannte sich die Familie Spanjar, Spahner und nun Spanner. Bereits seit dem 17. Jahrhundert führt die Familie den landwirtschaftlichen Betrieb. Doch dann wird das Gebiet der ehemaligen DDR zur sowjetischen Besatzungszone und ab 1952 kommt es in der gesamten ehemaligen DDR zu sogenannten Zwangskollektivierungen. Es wurden landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, die LPG´en, gegründet. Ab nun galt das Prinzip der Zwangsgemeinschaft. Das musste man mögen. Denn im Prinzip war dies der Verlust der Privatwirtschaft zu Gunsten der sozialistischen Planwirtschaft.
Die Familie floh in den Westen und bekam erst nach der Wende den Hof zurück. Umso schöner, dass nun zwei der Geschwister kräftig anpacken und mit Herzblut alles für ihre Touristen tun. Den Hof kennen wir, nun geht es zur gegenüberliegenden Kirche. Diese Kirche stammt aus der Zeit um 1300, der rechteckige Westturm ist erhalten geblieben. Der sieht sogar richtig toll aus – Feldstein und Backstein kombiniert.
Wir gehen hinein. Man vermutet, dass das schöne ursprüngliche Gewölbe im 30jährigen Krieg zerstört wurde und so hat man sich für eine Balkendecke entschieden. Fällt euch was auf, wenn ihr in dieser Kirche nach vorn schaut? Habt ihr jemals solch eine assymetrische Kirche gesehen? Warum macht man denn sowas? Nicht das es mich stören würde, mich würde es wirklich interessieren, was die damaligen Bauherren bewegt hat. Weiß es einer? Dann schreibt es doch in die Kommentare, dann erfahren wir es alle.
Hier in der Kirche erfahren wir noch, dass Nitzow erstmals 948 urkundlich erwähnt wurde. Es war eine slawische Siedlung. Civitas Nizem lautete der ursprüngliche Name, wobei Civitas im 10. und 11. Jahrhundert eine Burg beschrieb. Bereits im 12. Jahrhundert war es die Beschreibung für einen Ort mit Stadtrecht.
So. Genug der Geschichte. Nun wird es wieder Zeit für etwas Natur und einen schönen Ausblick. Direkt beim Havelhof geht ein gepflasterter Weg hinunter zur Havel. Die Wege sind hier in Nitzow wirklich nicht weit – die Eindrücke jedoch wahnsinnig reichhaltig. Noch von der Anhöhe gibt es einen tollen Blick auf die Havelauen. Unten angekommen finden wir einen Bootssteg und einen Badestrand. Hach – ist das hier alles idyllisch. Das Wasser ist spiegelglatt und rundherum ist es bis auf ein paar Vögel ganz ruhig. Zum Baden ist es zu kalt – aber wir saugen einfach diese Spiegelstimmung in unsere Kameras ein.
Und hier noch ein paar der Havelimpressionen: Auch wenn ich hier Stunden einfach so stehenbleiben könnte, steigen wir nun wieder hinauf zum Havelhof. Dort treffen wir nun auf Herr Spanner, den Bruder von Frau Spanner. Und ehe wir es uns versehen, sitzen wir in seinem kleinen Forstfahrzeug und rumpeln mit ihm durch seinen Wald. Wow.
Da geht es lang.
Und schon stehen wir in einer seiner Schonungen. Im Prinzip sieht ja alles irgendwie gleich aus in so einer Schonung. In Reih und Glied stehen sie, die Zöglinge. Doch hier steht jeder Spross unter genauer Beobachtung. Immer wieder packt Herr Spanner liebevoll aber auch streng die Zweige an und kommentiert fachmännisch mit den fragenden Worten: „Und, macht er es?“ Und damit meint er, ob sich der Zögling zu einem Baum auswachsen wird oder ob er wohl doch eingeht.
Alle Zöglinge in dieser Schonung sind gleich alt und so richtig verstehen kann man es nicht, warum einige viel größer sind als die anderen.
Dem noch nicht genug, jetzt geht es noch an die Arbeit. Verschnitt der Triebe, damit sich die Bäume gut in die Höhe entwickeln. Ich darf sogar helfen. Kein Problem, ich bin gartenkonditioniert durch meine Eltern, der Umgang mit einer Gartenschere ist mir sehr vertraut … doch zunächst suchen wir mal das Ästlein, den Trieb, der abgeschnitten werden soll…
...so und dann… muss ich tatsächlich kapitulieren. Die Äste sind so derb, dass ich sie allen Ernstes nicht abgeschnitten bekomme. Und ich dachte, durch meine Arbeit hätte ich Kraft in den Händen. Hm. Da bekomme ich eine Idee, was Herr Spanner hier so Tag für Tag treibt in seinem Wald. Eine wahnsinnige Arbeit. Hut ab …
Wir fahren noch in eine weitere Schonung, wo die Bäume schon ein wenig älter sind.
Hier erfahren wir, wo genau der Hirsch über den Zaun gesprungen kommt und eine Hufspur findet sich auch noch. So hautnah die Spuren des Waldes erklärt zu bekommen, könnte für mich stundenlang gehen. Irgendwo ist noch der Baum abgeschubbert … das war wohl auch der Hirsch. …dann sammeln wir noch supersüße Birnen und müssen uns dabei vorsehen. Die Hornissen mögen diese Birnen auch. So viele Hornissen gemischt mit vielen Bienen auf einem Haufen, dann ist das System intakt, so heißt es doch, oder? Der Wald ist wirklich schön, lebhaft und vor allem auch durch die Energie, mit der sich Herr Spanner hier der Natur widmet, wird mir wieder einmal bewusst, dass ich viel öfter noch genauer hinsehen könnte. Die Dinge mehr verstehen, mich mehr für die Zusammenhänge unserer Natur interessieren.
Unabhängig davon, fand ich sein Auto aber auch toll. Schön praktisch. …irgendwo weiter hinten finden wir noch ein paar Früchte an den Bäumen. Esskastanien und … hm. Was das zweite für ein Baum ist, habe ich vergessen. Weiß einer von euch, was das für rote Früchte sind beziehungsweise wie der Baum heißt? Dann bitte rein in die Kommentare … der oder die erste, der es reinschreibt, bekommt als Belohnung eine schöne Postkarte aus Potsdam. #Quizztime 🙂
Tja und dann heißt es leider so langsam Abschied nehmen vom Elb-Havel-Winkel. Wir rumpeln zum Hof zurück und machen noch einige Abschiedsfotos. Wer hier wohnt, kann sich wirklich glücklich schätzen. Mit dem Rad durchqueren wir nun nochmals den schönen Wald und fahren ein kleines Stück auf dem Radweg entlang der L3. Nach kurzer Zeit erreichen wir den Regionalbahnhof Glöwen, von wo aus wir schon in kurzer Zeit zurück in Berlin sind. Halt … soweit fahre ich gar nicht. In Falkensee verlasse ich den Zug und radle ganz gemütlich über die Landstraße nach Potsdam.
Was für eine wundervolle Reise – neben all dem durchaus auch unangenehmenTrubel, den uns das Jahr 2020 bot, heben mich Erinnerungen an diese Tage immer wieder an.
Vielen Dank an dieser Stelle an Familie Spanner für den tollen Aufenthalt in Nitzow.
Wenn auch ihr mal in Nitzow verweilen wollt, rate ich euch, möglichst frühzeitig zu buchen.
Offenlegung: Ich wurde im Rahmen der Aktion „Pedalenspione“ von der Landleute Agentur als Bloggerin zur zweitägigen Tour durch den Elb-Havel-Winkel eingeladen. Vielen Dank an dieser Stelle an Björn Gäde und die Landleute Agentur.
Hier geht es zu meinen anderen Berichten der Reise durch den Elb-Havel-Winkel:
- https://tripp-tipp.de/kurztrip-an-die-elbe-erste-impressionen-zum-elb-havel-winkel/
- https://tripp-tipp.de/das-kleine-oertchen-klietz-an-der-elbe/
- https://tripp-tipp.de/wie-herzblut-einen-kirchturm-formt-pfarrkirche-st-laurentius-und-st-nicolaus-zu-sandau/
Allgemeine und weiterführende Infos zu Nitzow, dem Havelhof und dem Elb-Havel-Winkel:
1. Webseite Havelhof: https://www.havelhof-nitzow.de/index.htm
2. Infos über die Leader-Projekte in der Region findet ihr HIER
3. Webseite der Nitzow / Havelberg: https://www.havelberg.de/de/nitzow/ortschaft-nitzow.html
4. Straße der Romanik – Webseite
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Das zweite Bild mit den roten Beeren ist der Weißdorn. Eine Weißdornhecke hat einen besonders hohen ökologischen Wert, bietet viel für Vögel und Insekten. Herr Spanner kann auch dazu viel erzählen. Ich hatte das große Glück, auch schon im Havelhof Gast gewesen zu sein und habe dort sehr viel gelernt. Einfach tolle Gastgeber.
Hey Annegret. Wie toll – Dankeschön für die Auflösung. Dafür gibt es einen Blogger-Postkartengruß aus Potsdam, wenn Du magst schickst Du mir dazu Deine Adresse. (sandrahintringer@aol.com) … wann wart Ihr denn im Havelhof? Und wieviele Nächte? Wir hatten ja leider nur eine Nacht … Und was hat Dir am meisten gefallen dort in Nitzow? Lg Sandra