Faszinierende Wanderung von Étretat nach Yport
Die Küste der Normandie ist abwechslungsreich, geschichtsträchtig und einfach nur atemberaubend. Ein Abschnitt hatte es uns auf unserer Camperreise in die Normandie besonders angetan. Die Wanderung auf dem Zöllnerpfad von Étretat nach Yport und zurück. Die teils magischen, ja fast heilsamen Ausblicke auf die weißen Felsen der Alabasterküste möchte ich dir auf gar keinen Fall vorenthalten, das muss man einfach mal gesehen haben. Ob nun vor Ort oder virtuell, das spielt gar nicht so eine große Rolle. Deshalb: Wappne dich mit Schokocroissant, Baguette und einer großen Flasche Wasser, denn das war Teil unserer Wegzehrung auf dieser Tour. Doch wie immer starte ich mal ganz von vorn.
Inhalt:
Anreise mit dem Camper
Legale Wohnmobilstellplätze sind mal sehr leicht verfügbar und dann auch wieder nicht. An touristischen Hotspots, wie es der Ort Étretat unweigerlich ist, kann es schon mal enger werden. Aus diesem Grund kribbelt immer die leichte Aufregung in mir, ob es uns wohl gelingen wird, genau dort einen Stellplatz zu ergattern. Denn nur wenn das gelingt, ist die etwas längere Wanderung von Étretat nach Yport entspannt gesichert.
Hier also mein erster Tipp für diese Wanderung und ihren Genuss: Egal ob Hotel oder Stellplatz, plane mindestens eine Übernachtung vor Ort ein.
Wenn man die Camper-Community ein wenig kennt, weiß man, dass so rund um 9 Uhr sehr gute Chancen bestehen, wo auch immer auf der Welt, ein Plätzchen zu ergattern. Gesagt, getan! Wir verlassen das vorherige Örtchen Fecamp kurz vor 8.30 Uhr. Die Rechnung geht auf, keine 30 Minuten später rollen wir durch die Schranke des Wohnmobilstellplatzes: „Espace Maupassant“ in Étretat. Perfekt.
Start der Wanderung von Étretat nach Yport
Die Tour will gute 11 Kilometer hin- und auch wieder zurückgewandert werden. Wir stellen uns darauf ein, dass wir frühestens, wenn überhaupt, in Yport einkehren können. Verlassen wollen wir uns darauf nicht, die letzten Tage in Frankreich haben uns gelehrt, dass die Restaurants immer nur zu bestimmten Zeiten geöffnet haben.
Wir reihen uns deshalb noch kurz in die örtliche Bäckerschlange, lauschen bei unseren Vorgängern der französischen Aussprache von Baguette und Schokocroissant, plappern genau das nach und stapfen, allen Ernährungsempfehlungen zum Trotz, glücklich mit unserer Weismehlbeute von dannen.
Vom Wohnmobilstellplatz bis zum Strand und damit zum Start der Wanderung von Étretat nach Yport sind es zunächst etwa 1,5 Kilometer durch die als Seebad geltende Ortschaft. Vorbei am Busbahnhof, der Schule, unzähligen Vorgärten und einer in einer braven Zweierreihe flanierenden asiatischen Reisegruppe mit Knopf im Ohr, gelangen wir an den noch in morgendlich kühles Licht getauchten Strand. Den Plage d’Étretat. Wow.
Ernsthaft verlaufen kann man sich hier nicht, dennoch ist es schön, am Ende der Promenade ein erstes Wanderschild mit Hinweis auf den GR21, also den Küstenwanderweg zu entdecken. Das macht so ein Gefühl von: „Jetzt geht´s looooohoooos!“
Die ersten Schritte auf die berühmten Klippen von Étretat
Stufe um Stufe erklimmen wir nun die ziemlich berühmten Klippen von Étretat. Wikipedia verrät mir, dass wir nun auf eine Höhe von 84 Metern aufsteigen.
Schnell wird klar, diese Wanderung wird nicht nur im körperlichen Sinne atemberaubend. Oben angekommen, werfen wir einen ersten Blick auf die Kreidefelsen. Das ist ja der Wahnsinn! Direkt vor uns: La Porte d‘ Aval, das Tor von Aval, das berühmte Felsentor von Étretat.
Es schmiegt sich so schön und betrachtenswert an den malerischen Kreideküstenstreifen, dass wir eigentlich gar nicht weitergehen wollen. Direkt nebendran steht die 51 Meter hohe Nadel, Inspirationsquelle vieler bekannter Maler und Schriftsteller. Noch ahnen wir nicht, welch‘ spektakuläre Bilder wir an diesem Tag auch noch machen werden. (du als Leser hast mit dem eingehenden Beitragsbild natürlich schon ein wenig Erlebnisvorlauf, denn ja: Im Sonnenuntergang wird die Stimmung noch unbeschreiblicher.)
Die ersten Meter auf den Klippen tippeln sich ganz gut auf diesem ausgetretenen Wiesenpfad. Jogger, Wanderer und auch Radfahrer sind hier unterwegs. Um dir den von uns allen geliebten Wunschzahn zu ziehen: 2020 haben die Franzosen den GR21 zum schönsten Wanderweg des Jahres gekürt. Diese spektakuläre Wanderung wirst du also nicht in Einsamkeit erleben, es sei denn, du läufst wirklich sehr, sehr früh los.
Falls du dich fragst, wie die Abkürzung GR zu Stande kommt: Der 190 Kilometer lange Wanderweg GR21 zählt als Fernwanderweg. Auf französisch heißt das „Chemin de Grande Randonnée“ und die zwei fett gedruckten Worte geben jeweils den Anfangsbuchstaben. Manchmal findet sich für den GR21 auch die Bezeichnung: „Littoral de la Normandie“ – der Küstenwanderweg der Normandie.
Immer wieder gibt es die Möglichkeit, einen Blick auf die Küste zu erhaschen. Kleine Trampelpfade markieren die besten Stellen. An dieser Stelle der kurze Hinweis: Du wanderst hier absolut auf eigene Verantwortung. An den Felsen ist nichts abgesperrt.
Wandern an der Alabasterküste
Wir folgen dem Wiesenpfad. Links das Meer, rechts eine Koppel. Schon nach wenigen Kilometern eröffnet sich ein schöner Weitblick. Ganz in der Ferne entdecken wir Fecamp. Die gesamte Ausdehnung dieser alabasterfarbenen Küste können wir nur erahnen. Auf einer Länge von 120 Kilometern zieht sich dieses Naturwunder vom nördlichen Le Havre bis kurz hinter Le Tréport (Quelle: Wikipedia).
Immer mal wieder ist die Kreideküste durch schmale Taleinschnitte unterbrochen. Genau jene Einschnitte machen diese Wanderung so interessant. An einer Stelle präsentiert die Küste ein kleines Kunstwerk. Frei im Meer stehend, schlägt sich die Kreidefelsnadel „Aiguille de Belval“ wacker gegen Gezeiten, Wind und Wetter. Heute bei schönstem Sonnenschein zeigt sie sich weiß, klar, strahlend und fotogen.
Wir passieren ein Weideschutzgatter und kurz darauf tut sich ein märchenhaft anmutender Blick auf.
Der Küstenwanderweg schlängelt sich auf der Tour von Étretat nach Yport mehrfach hinunter ins Tal und wieder auf die Klippe hinauf. Valleuse nennt man solch einen eiszeitlich und durch Wassereinlauf geprägten Taleinschnitt.
Die hier geschaffenen und gut intakten Stufen sind leicht gehbar, eine gewisse Grundkondition ist selbstredend Voraussetzung, um auf diese Art doch einige Höhenmeter zu meistern. Am Ende des Tages werden wir weit über 25 Kilometer gelaufen sein.
Ein bisschen interessanter wird es im nächsten Taleinschnitt. Hier gibt es keine Stufen. Bei trockenem Wetter überhaupt kein Thema, bei Nässe könnte es hässlich rutschig werden. Schnaufend, mit rotem Kopf und sich auf die Wanderstöcke rettend, kommt uns ein Ehepaar entgegen. Bevor wir absteigen, verweilen wir hier an einer der wenigen Stellen, wo sich im Schatten eines Baumes der Blick auf die Küste genießen lässt.
Fast am Boden der Talsohle, wartet die wohl für Höhengeplagte größte Herausforderung. Diese schmale Treppe, welche in Teilen knapp am steil abfallenden Abhang entlangführt. Ich fands gut machbar – dennoch wollte ich es mal erwähnen.
Auf der anderen Seite schniefen wir wieder hinauf und finden ein Hinweisschild, dass der Küstenweg wegen Abbruchgefahr gesperrt ist. Rein ferndiagnostisch führt der Weg über´s Feld und ist auch gut ausgetreten. Hier laufen ganz sicher viele Leute entlang. Die Maßnahme ist wohl eher Teil des Küstenschutzes.
Blöd nur deshalb, da die Alternativroute durch´s Feld und den kleinen Ort Vattetot-sur-Mer nicht ansatzweise auch nur irgendeine Regung erzeugt. Auf dem Feld ist es einfach nur heiß, wie gut, dass mir Marcus heute mal einen Sonnenhut in die Tasche gequatscht hat. Eigentlich mag ich so Zeugs auf dem Kopf nicht wirklich. Hier bin ich jedoch froh drüber. Denkt an Sonneschutz.
Ankunft und Rast im Badeort Yport
Gott sei Dank dauert es gar nicht lang und wir erreichen das kleine malerische Badeörtchen Yport. Früher war dieser Ort ein Fischerort. Auch hier gibt es einen recht schönen Wohnmobilstellplatz, an diesem wandern wir vorbei und steigen hinab in den Ort. Google hat sein Versprechen gehalten, der Touristenimbiss am Strand ist entgegen der hiesigen Restauranttradition geöffnet. Sogar ein öffentliches WC gibt es.
Wir dinieren fürstlich mit Blick auf weitere Kreidefelsen und die kleinen bunten, auf Kies liegenden Boote. Es gibt Crepes vom Pappteller und Kaffee aus dem Pappbecher. Nun ja. Eigentlich kehre ich ein, um genau das zu vermeiden. Aber gut, der Snack gibt uns trotzdem ein klein wenig Wanderenergie. Wir pausieren vielleicht so 30 Minuten und machen uns dann bereits auf den Rückweg.
Der Rückweg von Yport nach Étretat
An- und Abstiege sollte man nicht scheuen, wenn man sich auf diese Tour begibt. Kurz und knackig geht es den Berg hinauf, dann folgen wir der Beschilderung des GR21, die in ihrer Aufmachung einer Schnitzeljagt gleicht. Nicht unbedingt an der Rückseite eines Verkehrsschildes hätte ich die Zeichen vermutet. Aber doch: Hier müssen wir links rum.
Aus Richtung Étretat kommend schaut das schon ein wenig konsequenter aus. Nichtsdestotrotz gleiche ich sowieso jeden Wanderweg mit einer der einschlägigen Wanderapps ab. Das würde ich dir im Bereich des durchs Hinterland führenden Teils des Weges auch empfehlen.
Und dann senkt sich so allmählich die Sonne
Bisschen verrückt wird es nun mit der Lichtstimmung, die sich im Laufe des Nachmittages einstellt. Eigentlich hatten wir alle Highlights der Tour schon fotografiert. Auf dem Rückweg wird das Licht von Minute zu Minute schöner und wir werden gar nicht mehr fertig mit genießen, nochmal alles fotografieren und weiterwandern. Hier habe ich auf jeden Fall nochmal die bereits vorhin beschriebene Engstelle ganz gut erwischt.
Über 13 Gemeinden erstreckt sich diese einzigartige Alabasterküste, die Côte d’Albâtre. Die Region wird als „Grand Site de France“ bezeichnet und unter einen besonderen Schutz gestellt. Sei bei deinem Besuch so behutsam wie möglich. Nichts da lassen, nichts – auch keinen einzigen kleinen Kieselstein wegnehmen, so lautet die Devise. Jeder Millimeter Gestein wird zum Schutz der Felsen benötigt.
Fast zurück in Étretat nutzen wir nun noch die Chance, dank in einen Fels gebauter Stufen, hinabzuklettern. Wir sind am Falaise d’Amont, an dessen Fuße eines der 3 in Étretat befindlichen Felsentore liegt.
Das gibt nochmal eine andere Perspektive und so kommen wir dem Gestein der Klippen richtig nah. Die durch Verschiebung der Erdkruste gehobenen, Millionen Jahre alten Meeressedimente aus Kalk und kalkschalenartigen Kleinstorganismen müssen hier leider der dusseligen Kritzelei und Ritzerei oberflächlicher Touristen standhalten.
Obwohl er sich stets mittendrin und ganz intelligent wähnt, zeigt dieser Vandalismus, wie weit weg der Mensch mittlerweile von der Natur ist.
Das Highlight des Wandertages
Tja, zurück in Étretat erschlägt uns fast der Touristenrummel. Da wo es am Morgen so beschaulich zuging, wird nun gebadet, am Strand gechillt, über die Promenade gedrängelt, Eis gelutscht, Cola getrunken und alles, was man eben in einem Seebad noch so macht.
Fast spießig komme ich daher, als ich mich für die kleine Infotafel mit dem Gemälde „Porte d’Aval“ von Claude Monet interessiere. Hier soll er 1868 einen ganzen Winter verbracht haben, um Felsentor und Felsnadel zu malen. Viele andere Künstler wie Courbet, Boudin, Caillebotte, Renoir, Pissarro taten es ihm an der Alabasterküste gleich.
Doch so müde wie wir sind, so wenig können wir das gigantische Licht ignorieren, welches sich nun einstellt. Es verspricht ein Traumsonnenuntergang zu werden und so beschließen wir, die körperlichen Befindlichkeiten auszublenden und auf der anderen Seite von Étretat die Klippe zu erklimmen.
Jetzt suchen wir einen Fotospot für den Sonnenuntergang und werden dadurch doch noch ein paar Kilometer mehr Strecke machen. Hier also noch ein Blick von der anderen Seite auf den Strand von Étretat. Oben auf der Klippe kannst du die im Bau befindliche Kapelle „Chapelle Notre Dame de la Garde“ sehen. Diese wurde zu Ehren der Seefahrer geweiht. Unten am Fuß des Kreidefelsens das Felsentor La Falaise d‘ Amont.
Kreide, Lehm und Feuerstein, die im Verbund malerisch steil in den Ärmelkanal abfallen, geben besonders im Abendlicht eine wundervolle Kulisse und unzählige tolle Fotospots an der Alabasterküste.
Neben den bereits erwähnten Felsentoren Port d’Aval und La Falaise d’Amont wirst du begeistert sein von den Aussichten von La Manneporte oder Le Trou de l’Homme. Wir haben uns einfach auf dem Panoramaweg ein wenig treiben lassen und dabei zum Beispiel auch diesen Felsendurchbruch gefunden. Vorn an der Kante geht es steil hinab. Schon ein spezielles Gefühl.
Dennoch gipfelt der Abend mit dem nächsten Bild, was eindeutig zu meinen Favoriten dieser Reise gehört. Auch wenn es beschaulich aussieht, wir sind umzingelt von ebenfalls foto- und erlebnishungrigen Touristen. Hier, an der gefährlich steil abfallenden Klippe, herrscht reges Sonnenuntergangshappening. Eine Frau positioniert ihren Hund vor der Kamera, als sie genügend Fotos von ihm geschossen hat, öffnet sie die Plastik-Supermarktkäseverpackung und eine Weinflasche.
Weiter drüben stehen die Profi-Influencer. Perfektes Styling, sei es ein hübsches, bisschen aus der Situation gefallenes Kleid oder die obligatorische gelbe Outdoorjacke – sie alle waren hier und werden paar Stunden später, so wie wir übrigens auch, die beeindruckende Fotoausbeute bei Instagram teilen. Zu Recht. Solche Momente will man einfach teilen.
Ja, was soll ich sagen. Danke erstmal, dass du bis hierhin virtuell mitgewandert bist. Ist halt einfach eine bisschen längere Tour, die man nicht mit ein paar wenigen Zeichen im Blog abbilden kann.
Solltest du mal in der Normandie sein, mach dich unbedingt auf eine Wanderung zwischen Étretat und Yport. Selbst wenn du nicht die ganze Strecke läufst, wird es ein Erlebnis sein.
Dann mach’s gut und bis zum nächsten Mal!
Autorin: Sandra Hintringer (Reisebloggerin / Gesundheitswanderführerin)
Kompakte Infos für die Wanderung
Länge der Wanderung Étretat – Yport: ca. 11,5 Kilometer
Wohnmobilstellplatz Camping Car Espace Maupassant: 73 Rue Guy de Maupassant, 76790 Étretat, Frankreich / Preis: 13 Euro / 24h
PKW Parkplätze in Etretat:
- Parking du Grand Val (25 Rue Guy de Maupassant, 76790 Étretat, Frankreich)
- Parking du Valaine (20 Rte du Havre, 76790 Étretat, Frankreich)
Unbedingt mitnehmen: Rucksackverpflegung, ausreichend Wasser, Sonnenhut, Regenjacke
Hier findest du weitere Beiträge zu unserer Campertour durch die Normandie und die Bretagne:
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Alabasterk%C3%BCste
Weitere informative Seiten:
https://de.fecamptourisme.com/entdecken-sie-fecamp-und-sein-reiseziel/wanderungen-auf-dem-gr21/
4 Kommentare
Liebe Sandra, auch wenn ich die Tour schon beim. Lesen körperlich anstrengen fand, ist sie wunderschön. Danke dass ihr durchgehalten habt und alle Eindrücke mit uns geteilt habt. Ich liebe diese Ecke der Normandie auch, egal wie viele Touristen da sind. LG Christiane
Hallo Christiane,
lieben Dank für Deine Rückmeldung und ja, mich hat die Normandie auch total überrascht.
Lg Sandra
Hallo Sandra
Wir waren zwar vor einiger Zeit auch während unserer Elternzeitreise in Étretat, aber die Wanderungen haben wir leider nicht gemacht. Ein Grund noch mal hinzufahren.
Danke für den informativen Bericht.
Mike
Hallo Mike,
ach schade, die würde Euch ganz sicher gefallen! Aber die Normandie kann man immer mal wieder bereisen – vielleicht klappt es ja dann beim nächste Mal.
Lg Sandra