Tripp Tipp

Sag niemals nie – denn Mut-ivation ist genug für alle da.

Lesedauer 6 Minuten
Soweit das Auge blicken kann – die Große Mauer

Im Grunde wurde mein Leben immer von einem konkreten Plan und der Uhrzeit bestimmt. Alles war organisiert, durchstrukturiert für den wohlberühmten Zufall war fast keine Zeit. Ich war klassische Pauschalurlauberin und fühlte mich in dieser Rolle völlig in Ordnung. Ich habe nichts vermisst.

Doch dann ging es auf das Jahr 2009 und irgendwoher kam die aberwitzige Idee, mit dem Rucksack durch China zu reisen. Das sollte wohl mal ganz was Neues, Ausgefallenes sein. Ich war über mich selbst überrascht, die Vorfreude riesig und du glaubst es kaum. Die ganze Planung bezog sich auf die Buchung des Fluges, das Visum, ein erstes Hotel und klar, ein paar wichtige Reisestationen waren im Kopf. Mehr nicht. Das absolute Minimum, wenn man einen Jahresurlaub mit dem Rucksack in einem Land verbringt, wo ich weder die Schrift lesen kann noch ich mir sicher bin, ob mich jeder Bus mitnimmt. Manchmal ist es einfach besser, man weiß gar nicht zuviel.

Wo geht´s lang?

Immerhin landeten wir in Peking. Kurz nach den Olympischen Spielen ist die U-Bahn nachvollziehbar beschriftet und die Einwohner in ihrem Verhalten gegenüber Reisenden geschult. So viel wurde gar nicht rumgespukt und gerotzt. Brav stand man in Schlangen an. Später haben wir erlebt, wie Kellnerinnen peinlich berührt vor uns Langnasen wegliefen und Fahrkartenverkäufer uns einfach nicht verstehen wollten. Dieses riesige Land. Ein einziges Experiment.

Und so kommt es natürlich, wie es kommen muss. Wir wollen zur Großen Mauer. The Great Wall. Hey. Wir sind mit dem Rucksack unterwegs, wir sind Individualtouristen, wir werden doch die Mauer finden, oder?

Recherche

Das Experiment geht los. Wo fährt bitte der Bus zur Mauer? Ich meine, allein Peking mit seinen gut 21 Millionen ist unüberschaubar riesig.  Wir finden zumindest schon mal die U-Bahn, welche uns zur Station Dongzhemen bringt. Hier soll der Bus nach Miyun fahren. Mit Händen, Füßen versuchen wir Passanten und Busfahrer zu interviewen. Irgendjemand muss uns doch sagen können, mit welcher Busnummer wir fahren müssen. 980 wird uns auf ein Zettel gemalt. Wir jubeln. Doch wo zum Teufel fährt der ab?

Wir beobachten die Ströme von Menschen, welche in einem großen Haus verschwinden. Wie sich rausstellt, befindet sich unerwarteterweise da drin der Busbahnhof. Nun müssen wir nur noch Nummer 980 finden. Gar nicht so leicht. Wir fragen uns durch und fragen uns durch und fragen uns durch. Gibt es doch nicht. Unentwegt vermutet man, dass wir reich sind und deswegen mit dem Taxi gefahren werden müssen. Nein. Danke. Wollen wir nicht. Wir wollen den Local Bus. Den, mit dem auch die Einheimischen fahren. Klar gibt es auch einen Touribus, doch erlebnishungrig wie wir sind, wollen wir den nicht.

Ganz hinten steht es dran. Ziemlich unscheinbar, den Bussteig weiß ich jetzt leider nicht mehr. Für ein Appel und ´n Ei dürfen wir mitfahren. Coooool. Geschafft. Wir sitzen in diesem krassen Bus voller Chinesen, keine Ahnung wo die alle hinwollen. Ich verstehe keinen Ton. Wir jedenfalls faaaaahren zuuuuur Maaauuuuer.

Paar Minuten lassen wir uns in unserer Freude die Straßen entlangschuckeln, doch dann meldet sich in mir Unruhe. Wo steigen wir eigentlich aus? Wir wissen, dass wir in Miyun umsteigen müssen. Immer mal wieder hält der Bus, doch wir haben echt keine Ahnung, wo wir sind und wann unsere Haltestelle kommt. Englisch spricht hier keiner. Wir kein Chinesisch. Anhand der Kilometer und der Geschwindigkeit errechnen wir die ungefähre Ankunftzeit. Irgendwann hält der Bus und von draußen rufen Leute in den Bus. Wir identifizieren das Wort: „Miyun und Great Wall“. Gut. Dann steigen wir wohl mal aus. Irgendwo. Krasser Mist. So etwas habe ich noch nie nie nie in meinem Leben gemacht. Ich stehe irgendwo in China, umringt von Taxifahrern, mit denen wir nun beginnen, zu verhandeln.

Per Strichmännchenzeichnung.

Verhandlungssache

Oberkrasser Mist. Aber irgendwie auch superlustig. Wenn ich irgendwo unverfänglich lächeln gelernt habe, dann hier. Hoffentlich kommen wir jemals wieder nach Hause. Es bleibt nicht viel Zeit darüber nachzudenken. Es entsteht ein Preis und wir steigen in ein wildfremdes Auto, mit einem Fahrer, der wahrscheinlich gerade den Deal seines Lebens gemacht hat. Kurvenreich rast er mit uns eine halbe Stunde durch die Provinz. Lädt uns am Parkplatz bei der Sektion Jinshaling ab und versucht uns nun wieder per Strichmännchen klar zu machen, dass wir 10 km wandern sollen. Auf der Mauer versteht sich – und er würde uns in ein paar Stunden ein paar Orte weiter abholen. Waaaaaaa?

Er begleitet uns noch bis zur Kasse, wohl zu seiner Sicherheit, dass wir auf alle Fälle auch auf die Mauer gehen. Kauft sich ein Magnum Eis, schiebt seinen Bauch vor und verschwindet breitbeinig laufend, pfeifend.

Gut. Puh. Kurz verarbeiten, dann gehts los. Es geht auf die Mauer. Seilbahn. Mit einer ratternden, von außen verriegelten Blechkiste geht es auf die Große Mauer. Ich sehne mich nach Österreich, sehne mich nach Seilbahntechnik von Doppelmayr und Leitner.

Seilbahn auf die Große Mauer

Klar gucken wir uns schon jetzt ehrfürchtig um, denn die Aussicht vertreibt komplett die Bedenken.

erster Ausblick

Wir sehen die Große Mauer. DIE MAUER. Es ist schlicht und ergreifend nicht zu fassen. Nie war ich mir so klar, dass ich den Moment gerade nicht schnalle. Ich fange an zu knipsen. Dann holt man uns aus dem Blechkistchen. Gott sei Dank hat die Seilbahnwärterin gerade nicht geschlafen, denn einer muss von außen den Riegel lösen.

wieder frei

Die Wanderung beginnt. Unfassbare 10 Kilometer auf der Großen Chinesischen Mauer liegen vor uns. Es wird steil, es wird heiß, staubig. Dieses Monument windet sich weiter, als unsere Augen zu schauen vermögen. Alles nicht wirklich zu begreifen. Wir wandern mit nur ganz wenigen Touristen diese Strecke. Einzigartig und ich bin total froh, dass wir die ganzen Hürden auf uns genommen haben.

Ziemlich unwegsam die Große Mauer

Irgendwann erreichen wir der Ausgang der Sektion und was soll ich sagen, der Taxifahrer ist allen Ernstes da. Er ist da und nimmt uns mit zum nächsten Busbahnhof. Unglaublich. Nie nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass der Mann uns tatsächlich wieder abholt. Er freut sich und wir freuen uns. Dann trennen sich unsere Wege und ein üblicher Bus bringt uns zurück nach Peking.

Zweimal habe ich genau diesen Ausflug nun gemacht. Seitdem ist dieses stete Auf – und Ab des Gemäuers fast schon ein bildliches Mantra für mich geworden. Auf und Ab …..mal leicht, mal schwer, mal steil, dann wieder ebener, gleich etwas unwegsam und damit nur über kletterndes Laufen zu bestreiten. Wie mein eigenes Leben. Und damit finde ich just in diesem Bild, welches ich fest in meinen Gedanken gespeichert habe, immer wieder Halt und Motivation. Ich bin dankbar an vielen Orten gewesen zu sein – aber dieser Ort ist ein ganz besonderer.

Auf und Ab

Und genau deshalb nehme ich mit diesem Beitrag an einer Blogparade von Ariane auf ihrem Blog heldenwetter teil. Sag niemals nie ist das Motto der Parade und auch ich möchte dich mit diesem Beitrag bestärken, einfach mal was Ungeplantes zu machen. Irgendwas, das du nie für möglich gehalten hättest. Irgendwas wovon du nie glauben würdest, dass du es schaffen kannst.

Einfach machen!

Oder hast du schon? Dann rein damit in die Kommentare – ich bin irre gespannt.

Und hier geht es zur ganzen Chinareise mit dem Rucksack.

 

 

 

 

 

4 Kommentare

  • „Dieses riesige Land. Ein einziges Experiment.“ – Genau so habe ich mich auch gefühlt, als ich in China war 😀 Danke für diesen ganz wunderbaren Artikel, deinen letzten Absatz kann ich absolut so unterschreiben!

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    • Hallo Ariane,
      ja – wirklich faszinierend!
      Liebe Grüße und danke für die tolle Blogparade.

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  • Wow, ich ziehe meinen imaginären Hut. Ich glaube, ich hätte an eurer Stelle extrem Muffensausen gehabt, so ganz ohne wenigstens minimales Englisch und so. Aber „Mutivation“ – das muss ich mir merken. Toller Eintrag!

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    • Hallo Christina. War definitiv aufregend, aber auch in sofern lehrreich, dass man sieht, dass man eben mit Händen und Füßen überall (zumindest in diesen Belangen) hin- und durchkommt. Lg Sandra

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