Lenzen an der Elbe – ein Ort wo Natur und Historie verschmelzen
Lenzen an der Elbe – nie gehört? Das ist auch gar nicht verwunderlich, denn gefühlt liegt Lenzen irgendwo im Nirgendwo und ist dann doch wieder ganz präsent. Bereits 2020 sind wir auf dem Weg nach Hamburg auf dem Elberadweg in Lenzen an der Elbe vorbeigeradelt. Die damalige Etappe war hart, die Zeit knapp und so beschlossen wir, eines Tages wiederzukommen. Endlich hat es geklappt. Wie auch einige andere Touristen erreichen wir die Region dieses Mal mit dem Camper und hatten somit genug Zeit, Lenzen ausführlich zu erkunden. Im heutigen Beitrag geht es zur Bretzelfrau, zur ehemaligen innerdeutschen Grenze, hinein in eine süße, von Fachwerk geprägte Stadt in Brandenburg, die um ihr Dasein kämpft.
Inhalt:
Ein wenig Orientierung zu Lenzen an der Elbe
Die Reise führt uns über schier nicht endend wollende Landstraßen in den nordwestlichsten Zipfel von Brandenburg und hier in den Landkreis Prignitz. Ungefähr 2,5 Stunden dauert die Fahrt der knapp 200 Kilometer von Potsdam mit dem Auto. Im Norden grenzt Brandenburg und damit auch die Stadt Lenzen an Mecklenburg-Vorpommern und im Westen an Niedersachsen. Wie es die Kapitelüberschrift schon andeutet, liegt Lenzen am Ostufer der Elbe und auch an der Löcknitz, einem Nebenfluss der Elbe.
Bis 1989 trennte nicht nur hier der breite Fluss Elbe Deutschland in zwei Teile. Selbst heute ist es gar nicht so leicht, den Fluss zu überqueren. Man lebt eben entweder hüben oder drüben. Allein die Grenzgeschichte zieht mich magisch an.
Doch darüberhinaus ist es wahrscheinlich dem gut frequentierten Elberadweg zu verdanken, dass sich zunehmend Radtouristen in die kleine ungefähr 2500 Einwohner zählende Stadt Lenzen verlaufen. Und nun mal los…
Der DDR-Wachturm in Lenzen an der Elbe
Von Norden auf dem Elberadweg kommend, erreichen wir den schon weithin sichtbaren ehemaligen DDR-Grenzturm von Lenzen. Die Sonne scheint verführerisch auf meine Nase und doch quetscht sich dieser bleierne und gut bekannte Satz in meinen Kopf:
„Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten!“ (Walter Ulbricht, 1961)
Na da hat ja jemand Wort gehalten und wie schön, wirklich – wie schön, dass ich das Recht und die Freiheit habe, heute hier einfach entlang zu radeln und den schönen Tag als das zu genießen, was er ist. Schön und voller Wissen. Der Grenzturm in Lenzen lädt zu einem Aufstieg – von oben gibt es eine herrliche Aussicht auf die Elbtalauen.
Doch bis man die genießen kann, muss man sich den Gitterroststufen stellen. Für mich kein Problem, doch weiter drüben, da ruft eine Frau ihrem bereits oben stehenden Mann zu, dass sie Angst hätte. Schade eigentlich. Der Turm ist stabil, auch wenn man durch die Stufen durchschauen kann.
Ein paar Hinweistafeln informieren über die Blickrichtung. Manches ist strittig. Das auf der anderen Elbseite liegende Gorleben vielmehr das dort befindliche Atommülllager würde manch einer gern ausblenden, genau wie den „Westen“ in Gänze. Meinungen sind verschieden und besonders hier am Grenzturm kommt man nicht umhin, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Ein Besuch in der Region kann also tief gehen, stell dich drauf ein.
Unsere Reiselektüre hat zwar nichts mit Lenzen aber sehr wohl mit der Geschichte von Deutschland zu tun, schau gern mal hier, was wir gerade lesen (*)
Übrigens: Wer die andere Seite der Elbe erkunden möchte, hat hier am Grenzturm die Möglichkeit, die Auto-Fähre von Pevestorf zu benutzen.
Wir folgen stattdessen den Hinweisschildern in Richtung Altstadt von Lenzen an der Elbe. Vom Elberadweg aus, sind es knapp 2 Kilometer bis in die historische Altstadt. Gerade als wir hier entlangfahren, winken bunte Wimpel und locken zum Yoga unterm Apfelbaum. Wie idyllisch.
Hallo liebe Bretzelfrau!
Nachdem wir kurz einige Sup-Boarder, Familie Schwan sowie den grünen Linsensalat auf der Löcknitz bestaunt haben, rollen wir in die Altstadt hinein.
Es dauert nicht lang und schon stehen wir unmittbar vorm Rathaus in Lenzen. Ein strahlend-gelbes Gebäude mit einer Besonderheit. Die Ein-Zeiger-Uhr von Lenzen. Die Turmuhr hat nur einen Zeiger, denn damals im 18. Jahrhundert, als das Leben noch langsamer ging, reichte den Menschen die Anzeige der vollen Stunde. Ende der 90iger Jahre wurde die Uhr durch persönliches Engagement wieder aufgebaut. Das handgeschmiedete Einzeigeruhrwerk aus dem jahr 1756 kann heute in der Ausstellung „Zeit und Raum“ im Dachgeschoss des Rathauses besichtigt werden.
Wir treten näher ans Rathaus heran und werden von der Bretzelfrau angesprochen. Zumindest fühlt es sich ein wenig so an, denn die lebensgroße Skulptur vom Mödlicher Künstler Bernd Streiter, gespendet vom Ehepaar Renate und Günter Lucht, kommt mit ihrem Bretzelkorb sehr natürlich daher. Doch es ist nicht einfach „nur“ eine hübsche Bretzelfrau.
Es ist das Abbild von Anna Grieben.
Die Quellen unterscheiden sich, wann genau Anna Grieben verstorben sein soll. Die Hinweistafel am Rathaus gibt das Jahr 1612 aus.
Traurig und schön zugleich, ist die Legende, welche sich um ihr Leben rankt. Einst soll sie ein Kind verloren haben. Dieser Schicksalsschlag lässt sie die Liebe Gottes spüren und sie geht als Begründerin der „Lenzener Bretzelsalve“ in die Geschichte ein. Ein jährlich stattfindendes Fest, auf welchem jedes Kind der Stadt eben diese Liebe Gottes spüren soll. Als Zeichen dessen wurden Bretzeln überreicht.
Ein schöner Brauch. Leider verlor er sich mit Ausbruch des ersten Weltkrieges.
Unser Weg führt uns nun weiter durch eine Stadt, welche sich gefühlt schon ewig und hoffentlich im Übergangszustand befindet. Hier finden sich eine Menge Häuser mit Charme. Mal abbruchreif und dennoch denkmalgeschützt. Daneben edelst sanierter Fachwerkbau. Eine schwer greifbare Mischung. Letztlich ist auch die Stadt Lenzen Abbild dessen, wodurch viele ländliche Gegenden geprägt und bedroht sind. Strukturschwäche und damit Wegzug sind die größten Feinde dieser eigentlich traumhaften Gegenden.
Doch auch der Aufwind ist deutlich zu spüren. Das ist schön, das macht Hoffnung und mit bisschen Glück ist die Stadt Lenzen recht bald ein beliebter Besuchermagnet in der Prignitz.
Die Burg von Lenzen an der Elbe
Kaum einen Steinwurf weiter stehen wir vor der Burg in Lenzen. Tja, hier tobt wohl das meiste touristische Leben oder das meiste Geld, was in die Region kommt. Die Fahrradständer sind nahezu alle belegt, der kostenfreie Parkplatz ebenfalls. Es wimmelt und tummelt und hier checkt man ein ins edle und sich dem nachhaltigen und veganem Tourismus verschriebene Burghotel. So man mag.
In der Burg selbst verbirgt sich ein Besucherzentrum. Betrieben wird es vom 1996 gegründeten Trägerverbund Burg Lenzen (Elbe) e.V.
Den Vorsitz im Trägerverbund Burg Lenzen e.V. hat der BUND Landesverband Niedersachsen e.V., der seit 1993 Eigentümer der Burg Lenzen ist. Darüberhinaus gehören zum Vorstand erfreulicherweise auch die Stadt Lenzen selbst sowie der BUND Brandenburg e.V. und der Förderverein Lenzener Elbtalaue e.V.
Es warten eine Ausstellung, natur- und kulturhistorische Führungen, hier gibt es einen SUP-Board Verleih und sämtliche Informationen, wie man sich die Zeit in und um Lenzen und damit in den Elbtalauen vertreiben kann. Ich muss sagen – hier fehlt es gefühlt an nix auch wenn wir, dank vergessener Schlüssel für unser Räder leider nicht in die Burg hineinkonnten. Als kleine Anekdote am Wegesrand kann ich einfach nur die freundliche Dame im Burgladen erwähnen, welche uns ihr Schloss geborgt hätte… das wollten wir dann aber doch nicht. Allein zu spüren, dass es doch mal wieder menschelt, war toll.
Stattdessen schnappe ich mir im Besucherlädchen einen Flyer. Es ist ein „Stummer Stadtführer Lenzen“, der uns dann wohl die nächste Stunde entlang von 20 Stationen durch die Stadt führt. Sehr schön – vielen Dank dafür an die Stadt Lenzen. Alle Stationen zeige ich Euch hier natürlich nicht – denn Ihr sollt die Stadt ja selbst entdecken – aber ein paar Eindrücke habe ich mitgebracht.
Auf Streifzug durch Lenzen an der Elbe
Hausbalken-Inschriften
Ganz typisch für Lenzen an der Elbe sind die Hausbalken-Inschriften. Je nach Wohlstand waren sie wohl mehr oder weniger verziert. Sie enthielten zum Bauspal die Hausmarken, Handwerkersymbole, die Namen der Erbauer oder auch das Baujahr. Während viele Inschriften den häufigen Stadtbränden zum Opfer fielen, sind in der Lenzener Keller- sowie in der Neustadtstraße noch einige von ihnen zu entdecken.
„Meine Hülfe komet von Heren der Himmel und Erden gemacht hat. Wer Gott den Allerhögsten traut der hat uf keinem Sand gebaut. Jürgen Betke Margarete Heuers“
Der Alte Stadtgraben von Lenzen
Durch einen klitzekleinen Torbogen erreichen wir den Alten Stadtgraben von Lenzen. Wohl bis ins 17. Jahrhundert befand sich an dieser Stelle ein alter Graben und es braucht eigentlich kaum die Erklärung auf der Tafel, dass es hier dank Ablauf von Brauchwasser oder Abfällen ordentlich gemüffelt haben dürfte. Wir schleichen durch die schmale, dunkle Schlippe, doch statt schlechtem Geruch finden wir recht interessante Hinweistafeln.
St. Katharinenkirche zu Lenzen
Außen vielleicht unscheinbar aber wenn du Gelegenheit hast, geh ruhig mal rein in diese dreischiffige, spätgothische Hallenkirche. Die Kirche selbst bezeichnet sich als offene und als Radwegkirche und hat damit von Ostern bis zum Reformationstag täglich von 10.00 – 18.00 Uhr geöffnet. Sonntags erst ab 12.00 Uhr.
Wir sind an einem Samstag Mittag hier und tatsächlich drinnen ganz allein. Wunderschön.
Und irgendwann kommt natürlich der Hunger
Diese Einkehr war wieder eine unserer typischen. Von außen schaut das Cafe geschlossen aus und nur durch Zufall schauen wir um die Ecke und entdecken den hübschen, Backsteingesäumten Innenhof. Hier kann man sein Rad noch unabgeschlossen parken.
Wir gehen in den Hof rein und meine nahezu zolltaugliche Nase riecht sofort die indische Linsensuppe. Kann das sein? In einem Elbe-Bistro? Ja – es gibt exakt 4 Speisen. Die besagte indische Linsensuppe vegetarisch, Süßkartoffelpommes oder Kartoffelspalten jeweils mit Knoblauch-Dip oder eine Bockwurst. Linsensuppe 4,50, Kartoffelspalten 3,50 – in Selbstbedienung geordert sowie glücklich verspeist. Unser Einkehrtipp, wenn du es ruhig und einfach magst.
Kleine Anekdote am Wegesrand: Hier haben die Kinder noch Zeit, sich zum Soft-Eis essen an einen Tisch zu setzen und sich ohne Handy dafür life und in Farbe zu unterhalten. Vielleicht wirkt sich der Einstundenzeiger ja doch ein wenig aus? Und ja, sie haben uns Touristen auch noch freundlich begrüßt…. es gibt Dinge, von denen man glaubt es gibt sie gar nicht mehr. Doch! Hier in Lenzen schon. Schon wieder hat´s gemenschelt. Der Ort gefällt mir.
Hier sprechen noch ein paar Bilder über Lenzen
Noch eine Hausbalken-Inschrift an einem interessanten Gebäude.
Die recht farbenfrohe Kanzel in der St. Katharinenkirche
Eine Straßenflucht in Lenzen und am Ende die St. Katharinenkirche
Vom Verfall bedroht!
Und auch hier – der Verfall steht dem Gebäude ins Gesicht geschrieben.
Direkt daneben – die wunderschön restaurierte Schule:
Und noch mehr Skulpturen vom Mödlicher Künstler Bernd Streiter „Narrenfreiheit“ an der Burg Lenzen
Und mein Lieblingsdetail mal herausgegriffen – das Gesicht gibt mir Schwung
Hier noch ein Blick gen Süden vom Grenzturm in Lenzen:
Danke auf jeden Fall, wenn du dich bis hierhin durch den Text durchgewühlt hast. Warst du schon mal in Lenzen? Wie ging es dir in der Stadt oder was hat dich da am meisten bewegt? Schreib´es mir gern mal rein in die Kommentare und ansonsten schau gern bald hier wieder hinein. Wie immer ist der nächste Beitrag schon in den Startlöchern.
Weitere Informationen:
1. Elbfähre Lenzen / Pevestorf
https://www.amtlenzen.de/seite/630583/fahrplan.html
2. Öffnungszeiten Ausstellung „Zeit und Raum“ Rathaus Lenzen
Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag: 9.00 – 12.00 Uhr
Montag, Donnerstag: 13.00 – 15.00 Uhr
Dienstag: 13.00 – 17.30 Uhr
Quellen:
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