Tripp Tipp

Impressionen aus Potsdam und ich hole für ein paar Gedanken aus

Impressionen aus Potsdam
Lesedauer 8 Minuten

Der Winter hat in Brandenburg Einzug gehalten. Seit zwei Tagen schweben immer wieder weiße Flöckchen vom Himmel und bedecken die Stadt mit einem samtenen Kleidchen. Die Gelegenheit haben wir genutzt, am Abend kurz durch Potsdams Mitte zu spazieren. Heute gibt es also ein paar Fotoeindrücke und dann bahnen sich viele Gedanken ihren Weg. Da geht es kurz um die Tiefenentladung der neuen Lithiumbatterie, meine YouTube-Videos und am Ende um die Bundestagswahl. Ich kann nicht einfach so belanglos weiterbloggen – als wäre die Welt gerade total friedlich. Es gibt immer das Eine und das Andere. Aber lies‘ selbst.

Winterliche oder nächtliche Impressionen aus Potsdam?

Das Beitragsbild zeigt das Hotel Mercure. Zu seinen Füßen die Havel, in deren Wasser sich die bunten Lichter des Restaurants „El Puerto“ spiegeln. Zedernd fliegt der der Graureiher von dannen, als wir unter der Brücke hindurchgehen, um zur Potsdamer Freundschaftsinsel zu gelangen. Verzeihung Graureiher, wir Städter sind aber auch naturfern. Ist doch klar, dass Ihr Federvögel um die Zeit Ruhe braucht.

Von der Freundschaftsinsel blicken wir dann über die Alte Fahrt. In den Restaurants wird noch gespeist, sowohl im Brandenburger Landtag (das rosa Gebäude links im Bild) und in der Nikolaikirche (die runde Kuppel), ist noch Licht zu sehen.

Blick von der Freundschaftsinsel Potsdam auf die Alte Fahrt
Alte Fahrt Potsdam

Durch’s Gebüsch gelugt, entdecken wir die Rückseite des Museum Barberini. Hinter einem Zaun ist die Skulpur „Der Jahrhundertschritt“ zumindest für die Nacht gesichert. Sicher ist sicher, denn man weiß ja nie, wie sich die Dinge entwickeln. Im Moment habe ich das Gefühl, schreiten wir als Gesellschaft eher rückwärts.

Museum Barberini
Museum Barberini

Wir gehen auf die Humboldtbrücke hinauf und blicken auf den zweiten Arm der Havel. Die Neue Fahrt. Ganz dünn schimmert die Spitze der Heilig Geist Kirche durch die Nacht. Neben uns murmelt ein Mann unentwegt Gebete, redet gen Himmel. Vielleicht sieht er zum ersten Mal Schnee? Vielleicht betet er für seine Sicherheit? Für Frieden? Wir gehen weiter.

Neue Fahrt Potsdam
Neue Fahrt Potsdam

Werfen noch einen letzten Blick auf die Alte Fahrt. Still liegt sie da.

Warum ich gerade zufrieden bin

Und sonst bin ich gerade sehr zufrieden, denn zum ersten Mal in meinem über zehnjährigen Reiseblogger-Dasein habe ich eine 10-teilige Serie Reisevideos zu einer Reise, in dem Fall unsere vierwöchige Reise nach Nordnorwegen letzen Herbst, fertiggestellt. Das ist dem Umstand geschuldet, dass ich gerade irre Bock auf Videos beziehungsweise auf Videoschnitt habe. Das braucht man auch – denn so schnell wie sich die Dinger weggucken, sind sie leider nicht geschnitten. Oft dauert es viele Stunden, von Materialsichtung, über Schnitt, Nachvertonung, Einblenden von Texten, bis so ein Video fertig ist. Schau gern mal über diesen Link bei YouTube rein.

Die Odyssee mit der neuen Lithiumbatterie

Tja, und was wir zuletzt mit dem Camper erlebt haben, entbehrt fast jeder Grundlage. Unsere im letzten Juni neu installierte Lithium-Aufbaubatterie ging in eine irreversible Tiefenentladung. Das Auto musste wieder in die Werkstatt – ganze vier Wochen hat diese gebraucht, um zunächst die Batterie zu tauschen und als diese neue Batterie ein weiteres Problem aufwies, ein Update des sogenannten Batteriemanagementsystems umzusetzen. Wahrscheinlich hätte es noch länger gedauert, wenn ich nicht zufällig einen Rappel bekommen hätte.

Wie sieht das aus, wenn ich einen Rappel bekomme? Ich habe den Hersteller der Batterie aufgrund seiner Werbung für Wintercamping bei Facebook angeschrieben. Denn: Es ist doch ein Irrwitz, dass ein Hersteller explizit für Winterzuverlässigkeit der Batterie wirbt – und dann schmiert das Ding ab. Das kann man mit mir nicht machen – wenn man weiß, dass das eigene Produkt einen Fehler hat – sollte man so eine Werbung einfach mal pausieren.

Der technische Support der Herstellerfirma hat mich ziemlich zügig telefonisch kontaktiert und nach Nennung der Werkstatt hat er unmittelbar dort angerufen. Zwei Tage später war das Auto abholbereit. Immerhin wussten wir dann, dass der Fehler nicht an der mangelnden Supportfähigkeit des Herstellers liegt.

Und Politik geht glaube ich gerade an keinem spurlos vorbei, oder?

Tja, so wie es wahrscheinlich vielen geht, stellen sich mit dem Blick auf die anstehende Bundestagswahl, seltsame Gefühle ein. Als Reisebloggerin liebe ich die grenzenlose Freiheit von Europa, die Einfachheit des Euro, die interkulturelle Vielfalt und die Herzlichkeit, die mir überall auf Reisen entgegenströmt.

Erst auf Reisen habe ich gelernt, was kulturelle Vielfalt bedeutet, erst auf Reisen habe ich gelernt, mich Dingen zu öffnen, auch wenn sie wirklich absurd erscheinen. Auf Reisen habe ich vor allem gelernt – das die Welt nicht so böse ist, wie sie manchmal scheint.

Plötzlich dringen jedoch Kräfte hervor, die genau diese Vielfalt der Errungenschaften, vor allem hier bei uns in Deutschland am liebsten noch heute unterbinden würden. Überspitzt gesagt: Wenn das so weiter geht, gibt es bald kein Asiaimbiss und kein Inder mehr. Import und Export werden deutlich erschwert und damit reduziert. Welche Fachkraft hat Lust in einem Land zu leben, wo sie als Mensch eigentlich nicht erwünscht ist? Grenzkontrollen machen das Reisen wieder komplizierter, wer will dann noch eine Reise buchen? So – und spätestens dann gehen Arbeitsplätze verloren. Im Dienstleistungs- und Servicebereich, auch im Tourismus. Nicht, weil uns „die Ausländer“ die Jobs wegnehmen – sondern weil wir selber so dusselig sind, bestehende gute Strukturen durch eine unkluge und wenig zukunftsweisende Wahlentscheidung, abzureißen. Ach – Du weißt ja selber, was das alles für Folgen haben könnte.

Und trotzdem halten Menschen an tradierten Wahlentscheidungen fest, trauen sich nicht – von üblichen Wahlentscheidungen abzuweichen oder hoffen in Extremen die Lösung zu bekommen.

Warum? Weil man sich vielleicht nicht vorstellen kann, dass die gute alte Partei – nun nicht mehr die gute alte Partei ist.

Hach… ehrlich gesagt macht mich das Thema regelrecht wütend. Verzeihung, dass ich diese Worte jetzt benutze – aber diese Politikbehäbigkeit, die Bequemlichkeit oder auch die Ignoranz – nicht zu bemerken, dass die eigene Wahlentscheidung auf Gefühlen, vielleicht manipulierten Gefühlen, Gewohnheiten oder auf Ängsten beruhen, macht mich irgendwie verrückt und lässt mich gelinde gesagt an der Intellegenz der Menschheit zweifeln.

Weil das Thema so derartig für den Wahlkampf durchgenudelt wird, hier mal ein Beispiel:

Unzählige Menschen geben zur Zeit an, Sie hätten Angst vor Zuwanderern. Auf die Frage, ob Ihnen persönlich schon jemals was Seltsames zugestoßen sei – folgte bisher immer ein: „Nein“.

Woher kommt dann die Angst, frage ich mich?

Richtig – sie wird uns seit Jahren förmlich eingetrichtert und – vielleicht ist es auch die banale Natur des Menschen, das Andersartige erst mal komisch zu finden. Wir nennen das dann „Angst“ – weil wir uns nicht sicher sind, was wir da wahrnehmen und wie sich das auf unser inneres Sicherheitsgefühl auswirken könnte – aber eigentlich ist es vielleicht auch nur Unbehagen. Eine rote Gurke würden wir im Supermarkt ja auch nicht direkt kaufen, weil wir uns nicht sicher wären, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht.

Und genau diese Angst, wird gerade ausgenutzt. Eine schnelle Lösung wird versprochen – das kommt natürlich dem ängstlichen Gehirn gerade recht – also wählen wir einfach die, die alle Ausländer rausschmeißen und keine neuen mehr reinlassen wollen. Dann ist die Sicherheit wieder hergestellt und alles wird gut.

Wirklich?

Nein. Das ist eher die Hoffnung auf eine vermeintliche Sicherheit.

Aus meiner eigenen Vergangenheit kann ich sagen – den größten Schaden hat mir kein Zuwanderer – sonder ein richtig echter Deutscher, ein damals der Familie nahestehender Mann, zugefügt. 15 Jahre ist das jetzt her. Gewalt durch einen Mann zu spüren, ist furchtbar und hat mein Leben für Jahre stark und auch bis heute beeinträchtigt. Und falls die Frage kommt: Nein, es war weder mein Ex und auch nicht mein Vater – der war Gott sei Dank der Einzige, der beherzt zugegriffen und mich aus der Mangel eines Halbirren gerettet hat. Der Rest war erstmal verdutzt, im Schock gebunden und hatte darüberhinaus, rate mal: Angst.

Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass die unbändige Wut, die sich aufgrund dieses Ereignisses in mir aufgestaut hat – sich an allen Ecken und Enden meines Alltags ihren Weg gebahnt hat. Für Jahre. (jetzt ist das nicht mehr so – deshalb kann ich drüber schreiben.) Allein die Wut zu deckeln – war eine echte Anstrengung.

Nie hatte ich die Gelegenheit, sie an die richtige Stelle zu platzieren – glaube mir – in jenen Zeiten hätte ich jeden gewählt, der dafür geworben hätte, deutsche Männer regelmäßig zu verprügeln. – Weil ich nicht mehr zwischen „dem-einen-Täter“ und „allen“ differenzieren konnte. (und genau das passiert heutzutage auch. Wir differenzieren nicht mehr gut genug zwischen dem Einen und dem Anderen – also hauen wir einfach auf alle drauf.)

Damals hätte ich sogar bei der Prügelei mitgemacht. Genau das war immer mein heimlicher Wunsch – den Täter einmal so richtig verprügeln, das hätte mir Erleichterung gebracht. Das ging natürlich nicht. Also habe ich stellvertretend jede Gelegenheit genutzt, meiner Wut Austritt zu verschaffen. Erklären kann man so was eher nur schwer und wenn ich es versucht habe – konnte das in meinem Umfeld nicht wirklich einer verstehen – eher bekam man noch vor mir Angst – denn jetzt war ja ich diejenige, die Gewaltgedanken äußerte. Böse Sandra, will sich wehren. (ein ureigener Instinkt übrigens)

Uiuiui…davor hat man in Deutschland dolle Angst. Vor dem Gefühl „Wut“ und all ihren Facetten.

Warum? Warum fällt es unserer Gesellschaft so schwer, mit Wut umzugehen? Mit der eigenen, mit der unterdrückten, mit der nicht kommunizierten und mit der fremden Wut. Dort müssen wir ansetzen. Als ich meinem Täter Jahre zuvor mal sagte, dass er sich eigentlich Hilfe holen müsste – wurde ich als junge Therapeutin, als Angehörige eher belächelt.

Therapie – wer braucht denn sowas. (lieber warten wir, bis wir die Emotionen nicht mehr kontrollieren können und andere zu Schaden kommen – passiert täglich. Man schaue nur mal, was da im Straßenverkehr los ist. Viel Wut – die wahrscheinlich woandershin gehört.)

Nach der Tat – hat mich der Täter gefragt – ob ich ihm helfen könne. What? Nein. Nun nicht mehr – denn jetzt hatte ich mir mir zu tun. Und wer mir oder meiner Familie unreflektiert und im Affekt schadet – dem möchte ich auch nicht mehr helfen.

Und so reicht es eben nicht – den Zuwanderer nur auf sein Zugewandertdasein zu begrenzen und pauschal die eigene Wut an all jenen zu entladen, die man bisher noch nicht mal persönlich getroffen hat. Es reicht eben nicht, pauschal Angst zu haben. Und es reicht eben nicht – die eigene Wahlentscheidung auf diese einfachen und auch nicht ganz einwandfreien Zusammenhänge zu begrenzen. Sondern es es wichtig – sich mit sich und der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wut und Angst sind keine guten Wahlbegleiter. Ein Gehirn, was viel mit Wut und Angst zu tun hat, sucht schnelle Lösungen – und wird damit empfänglich für billige Wahlversprechen.

Leider gibt es unter uns viele, die sich weder ihrer Angst noch ihrer Wut und der damit unbewusst ablaufenden Verhaltensmuster wie  Ablehnung oder Argwohn oder auch der Abhängigkeit von Führungspositionen bewusst sind. (um nur ein paar Beispiele zu nennen)

– Hm. –

Die nächste Bundestagswahl wird keine leichte.

Natürlich soll jeder die Wahl treffen, von der er sich verspricht – dass es seine Ansichten und seine Zukunftswünsche am ehesten vertritt und verwirklicht. Aber allein das reicht dieses Mal nicht.

Denn: Dieses Mal wählen wir pro oder contra einer Demokratie. Und auch mir fällt es nicht leicht, eine Entscheidung zu treffen. Ein wichtiges Merkmal, was mir die Wahl deutlich erleichtert ist die Art, wie sich Politiker äußern. Es gibt ein paar, die schaffen keine Rede ohne Angriff oder Beleidigung und es gibt ein paar, die deutlich regulierter und immerhin mit respektvollem Verhalten auftreten.

Letztere gewinnen meine Stimme – denn nur im regulierten Zustand können wir Lösungen finden. – Das ist kein abgedroschener Politikspruch sondern fußt auf meinem Wissen und der Erfahrung als Traumatherapeutin und auch als Betroffene von Gewalt. Ich arbeite auf der Grundlage der Polyvagaltheorie und wenn das böhmische Dörfer für dich sind – dann schau‘ dir gern mal mein Buch an, was ich dazu schreiben durfte.

So: Hast du dir meine Ergüsse wirklich bis zum Schluss durchgelesen? Wow – dankeschön. Schreib mir doch gern ein Kommentar, wie es dir mit dem Thema der Wahlen so geht und wie du zu einer guten Entscheidung kommst. Eine Bitte habe ich: Bleibe bitte respektvoll.

Mach es gut, bleib schön gesund und triff bitte eine gemeinschaftlich und am Frieden orientierte Wahl – im nächsten Beitrag reisen wir dann wieder ein wenig 😉 – ich habe noch einiges an Material auf Halde.

 

Autorin: Sandra Hintringer

 

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