Halbinsel Wittow – ein Streifzug durch den Norden von Rügen
Die kühle Nebensaison im Gepäck, haben wir uns mal wieder mit dem Camper auf den Weg gen Rügen gemacht. Dieses Mal soll es auf die Halbinsel Wittow gehen. Nichts ist uns zu nass oder zu kalt, um ein paar schöne Bilder und tolle Lesemomente für Dich einzufangen. Kaum stehen wir vor den Toren des Campingplatzes, fängt der Camper an „zu pinkeln“. Die Frauen aus dem Nachbarauto rufen Marcus zu: Ihre Frau duscht, oder? Nein, das war es nicht – die kleine technische Finesse des Frostwächters, hat den Warmwasserboiler begonnen zu entleeren. Das passiert immer genau dann, wenn die Umgebungstemperaturen des Fahrzeuges bei 3° Grad liegen. Huschelig kalt ist es also gewesen. Was wir in knapp 4 Tagen noch alles erlebt und erkundet haben und wo es sich vielleicht auch für Dich lohnt, mal vorbeizuschauen, erfährst Du in diesem Beitrag.
Inhalt:
Wissenswertes zur Halbinsel Wittow
Die Halbinsel Wittow befindet sich ganz im Norden der Ostseeinsel Rügen und gehört damit zum Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Auf der kleinen Übersicht habe ich die Halbinsel mal orange gefärbt.
Spannend ist allein schon die Anreise, denn die führt über eine sehr schmale Stelle der Insel Rügen, die sogennannte Schaabe. Dieser Sandstreifen ist an der dünnsten Stelle gerade einmal 600 Meter breit und trennt somit als Nehrung auf 12 Kilometern die Halbinsel Wittow von der Halbinsel Jasmund. Auch wenn Dein Ziel eigentlich die Halbinsel Wittow ist, lohnt es sich auf alle Fälle an einem der unzähligen kleinen Parkplätze kurz anzuhalten und die paar Meter durch das Kiefernwäldchen zur Ostsee zu stapfen. Alternativ kannst Du die Halbinsel über die Wittower Fähre erreichen.
Ein Teil der Halbinsel Wittow liegt im größten Nationalpark von Mecklenburg-Vorpommern: dem Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, dessen Ziel der Erhalt der natürlichen Dynamik der Landschaft ist. Infrastruktur bilden die über Radwege und Straßen verbundenen Gemeinden Wiek, Putgarden, Altenkirchen, Dranske und Breege samt dem außerhalb von Wittow liegenden Örtchen Juliusruh.
Wenn Du das erste Mal auf der Halbinsel ankommst, empfindest Du vielleicht auch dieses Gefühl von: „Ein Hauch von Nichts.“ Noch ist es dort verhältnismäßig ruhig und das Erleben beschränkt sich bis auf ein paar Ausnahmen vor allem auf die karge Landschaft. Manch einer findet die Ruhe, fernab der begehrten Seebäder Binz, Sellin oder Gören als regelrecht langweilig. Doch Baupläne werden bewegt, Touristenströme damit natürlich verstärkt und so ist es wohl auch hier nur eine Frage der Zeit bis der Übertourismus winkt. Doch lass uns nun mal ein wenig die Halbinsel erkunden.
Kap Arkona und seine Leuchttürme
Nahezu magnetisch ziehen die Türme uns in den Bann. Kaum war das Auto nach Anreise abgestellt, sind wir auf die Räder gesprungen und zum Kap Arkona geradelt. Insgesamt 3 Türme gibt es hier. Den Schinkelturm, das Leuchtfeuer und den Peilturm. Wir hatten das wahnsinnige Glück, einen farbenreichen Sonnenuntergang bei unserem Besuch bei unseren Besuchen zu erwischen – ich glaube wir waren in 4 Tagen 3x am Kap. Es ist einfach zu schön dort.
Roter Backstein ziert den quadratisch und in klassizistischer Weise gebauten Schinkelturm. Als Baujahr wird das Jahr 1826/1827 angegeben. Er gilt als der zweitälteste Leuchtturm an der Ostseeküste und ist 19,3 Meter hoch. Auf gut 15 Metern befindet sich eine Aussichtsplattform, welche ich jedoch selbst noch nie besucht habe und im Moment (Stand April 2022) ist sie wegen Baumaßnahmen geschlossen. (Quelle: www.kap-arkona.de)
Direkt nebendran steht das vor allem bei Dunkelheit weithin sichtbare Leuchtfeuer – ein seit 1905 aktiver und 35 Meter hoher Leuchtturm. Auch auf diesem Turm befindet sich eine Aussichtsplattform, und ich muss mich wieder ducken: Ich war noch niiie oben. Irgendwann wird es mal klappen.
Paar Meter weiter östlich steht der 1927 erbaute Marinepeilturm. Dieser diente ursprünglich dazu, die Navigation im Fährbetrieb zu verbessern. Heute dient uns der Turm vor allem als wunderschönes Fotomotiv im Sonnenuntergang, denn auch hier ist längst zu, als wir ankommen. Ansonsten wäre auch hier der Besuch der Aussichtsplattform möglich und in dem eingemieteten kleinen Künstlercafe könntest Du Kunsthandwerk erwerben oder ein Käffchen trinken.
Die Bunkeranlagen auf Kap Arkona
Im Prinzip kann man sich mehrere Tage allein mit dem Kap Arkona beschäftigen. So idyllisch das Kap scheint, in Bezug auf militärische Aktivitäten ist es seit dem 2. Weltkrieg ein wichtiger Punkt gewesen. Total spannend sind hier die unterirdischen Bunkeranlagen – der Arkona-Bunker und der Marineführungsbunker, welche sich nach außen maximal durch die vielen Belüftungsrohre zeigen. Bizarres Bild, wenn man da vorbeigeht.
Im Arkona-Bunker, einem ehemaligen Wehrmachtsbunker, kannst Du eine kostenfreie Ausstellung zur Geschichte des Kap Arkonas besuchen.
Der Marineführungsbunker wurde zu Zeiten der ehemaligen DDR gebaut und diente als geschützter Gefechtsstand. Heute gehören beide Bunker der Gemeinde Putgarden und dienen als Ausstellungsfläche für Modelschiffe und alte Navigationsgeräte. (Quelle: www.kap-arkona.de)
Die Königstreppe am Kap Arkona – und andere Wege zum Wasser
Manche von Euch kennen sie vielleicht noch oder sind sie sogar schon gegangen: Die Königstreppe. Auch wir sind die 230 Stufen noch 2012 gegangen. (vielleicht finde ich ja noch ein altes Foto). Mittlerweile ist sie jedenfalls stark zerstört und seit 2012 dauerhaft geschlossen. Haben wir wohl gerade noch Glück gehabt. Immer wieder gibt es Abbrüche von den Steilküsten und besonders nach langen Regenfällen ist dann Vorsicht geboten.
Und während Rügen einst schwedisch war, so geht der Bau dieser Königstreppe auf den preußischen König Friedrich Wilhelm der III. zurück – 1833 gehört Rügen zu Preußen und so entsteht hier ein Anleger samt dieser Treppe, welche später reichlich Touristen zum Kap auf und zu den Touristenbooten wieder absteigen lässt. Irgendwie schade, dass es mittlerweile kein Bootsanleger mehr gibt. Dennoch kannst Du diesen bis zu 45 Meter hohen Küstenabschnitt vom Boot aus betrachten. Touren ab Seebrücke Binz oder Sassnitz führt die Reederei Adler-Schiffe durch.
Um an den Strand nach unten zu kommen gibt es dennoch zwei Möglichkeiten in der Nähe. Die sogennante Veilchentreppe und die Treppe am Gellort.
Der Kreidefelsen am Kap Arkona
Wir steigen also die besagte Veilchentreppe mit ihren ca. 110 – 112 Stufen hinab und wir haben sogar Glück, die Treppe macht ihrem Namen alle Ehre – es wachsen die ersten Veilchen. Der Ort, den wir dann erreichen, ist wohl einer der spektakulärsten auf ganz Rügen. Ein einziges Naturschauspiel. Bei allerbester Sonne gehen wir vorsichtig über die vom Meer rundgelutschten Feuersteine.
Fest im Blick: Das strahlendweise Kliff und was für ein Zufall – eine Möwe schummelt sich auf´s Bild.
Im unteren Teil besteht die Küste aus Schreibkreide mit Feuersteinbändern. Darüber sortieren sich eiszeitliche Ablagerungen wie Geschiebemergel der im Laufe der Zeit zu Geschiebelehm verwittert. Außerdem noch Schmelzwassersand und Ton. Insgesamt Material, was wohl gern aufquillt und nach längeren Regenphasen zu Abrutschungen, Steinschlägen oder Abbrüchen an der Küste führt. Diese Steilküste ist einer der am meisten von Verwitterung betroffenen Küstenabschnitte der Ostsee. Jährlich geht die Küste laut Infotafel wohl um 20 Zentimeter zurück. Seid hier also besonders nach Frost, starken Niederschlägen, Hochwasser und Sturm sehr sehr vorsichtig und meidet dann diesen Bereich.
Bei uns ist strahlender Sonnenschein und so verweilen wir ein wenig an der Küste. Marcus testet mal die weiß-schmierige Schreibkreide und erklimmt dann den dort befindlichen riesigen Findling: den Kosegarten-Stein. Mit seinen 15 Kubikmetern, soll er 55 Tonnen wiegen. (Quelle: strandsteine.de) Mächtige Sache, die da während der Eiszeit transportiert wurde.
Nunja. Nicht so schön ist der Kadaver einer Kegelrobbe, welche ebenfalls an diesem Strand lag. Das Bild, was ich nicht mal gemacht habe, erspare ich Euch. Immerhin ist sie ein Zeugnis, dass es sie überhaupt an der Ostsee gibt. Laut einem Infoschild leben 22.000 dieser Tiere in der Ostsee. Der Bestand hat sich erfreulicherweise schon etwas erholt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zählt man 100.000 Kegelrobben. Bejagung, Eintrag von Schadstoffen und auch die touristische Nutzung der Küsten hatte stark zum Rückgang geführt, sodaß die Robben um 1920 in Deutschland sogar ausgestorben waren.
Dann geht es die Veilchentreppe wieder hoch. Ein Lied kommt mir in den Kopf: „Atemlos“… jedenfalls dieses mal nicht durch die Nacht und immerhin haben wir kurz darauf Motivation noch woanders wieder abzusteigen:
Der nördlichste Punkt von Rügen – Gellort
Wir düsen den Hochuferweg am Kap Arkona an den Leuchttürmen vorbei und erreichen nach kurzer Zeit den nördlichsten Punkt der Insel Rügen und damit auch den nördlichsten Punkt der Halbinsel Wittow. Ein fantastischer Ort mit Sicht auf eine strahlendblaue Ostsee.
Natürlich steigen wir die Treppe hinab, die Stufen sind teilweise lehmig, matschig und bei länger anhaltender Nässe wohl auch so ab und an mal gesperrt. Wir haben jedenfalls Glück und erblicken bereits von oben den 165 Tonnen schweren Siebenschneiderstein. Ein weiterer mächtiger und damit der viertgrößte Findling von Rügen. Natürlich will jeder Tourist damit ins Fotoalbum und so ist es zumindest an diesem Tag nicht möglich, den werten Stein menschenfrei zu fotografieren. Macht nix – als gesetzlich geschütztes Geotop, also Teil der unbelebten Natur und Zeugnis der Erdgeschichte, ist man halt einfach ein kleiner Star.
Tja, und was sagte ich am Anfang? Das gefühlte Hauch von Nichts auf der Halbinsel Wittow? Weit gefehlt, oder? Hier jagt eher ein Naturschauspiel das Nächste und so stehen wir, den Hochuferweg am Nordstrand ein wenig weiter westwärts geradelt, gleich wo?
Der Märchenwald auf der Halbinsel Wittow
Na gut – man sollte auch auf der Halbinsel Wittow die Strecken nicht unterschätzen. Nach gut 8,5 Kilometer stehen wir nun im Märchenwald auf Rügen. Ui Ui Ui, ob die Trolle sehen, dass ich Kekse im Rucksack habe?
Augenscheinlich schon, denn ich glaube, sie waren es, die mich zu Fall gebracht haben. Hundsgemein haben die mir einen Stock zwischen die Speichen geschmissen und ehe ich es mich versehe, liege ich rücklings im trockenen Buchenlaub. Pah… gibbet doch nicht. Gott sei Dank nix passiert. Also weiter geht´s – wo sind denn jetzt diese knorrigen Bäume, von denen alle sprechen?
Mühevoll versuchen sich die Buchen gegen den Küstenwind zu behaupten und das Resultat sind bizarre Formen, welche jeder Phantasie viel Spielraum lassen. Schön ist natürlich, dass in der kälteren Jahreszeit überall das nahezu türkisfarbene Meer durchblitzt.
Ja, dieser Märchenwald wird wohl noch als Geheimtipp gehandelt. Das mag vor allem daran liegen, dass man sich einfach ein bisschen bewegen muss, um hinzukommen. Vielleicht aber auch, weil die knorrigen, verwunschenen Baumgesellen die Menschen ein wenig zur Ruhe bewegen. Der Waldweg führt parallel zur Küste und hier und da gibt es Möglichkeiten an den wunderschönen Nordstrand abzusteigen.
Der Märchenwald läuft westlich in ein größeres Waldgebiet und dann in das Regenbogen Camp Nonnevitz. Was sich dann anschließt, ist sagenhaft und für mich das gefühlte Anfang vom Ende.
Wir erreichen nun den Bakenberg.
Der Bakenberg – Ferienhölle auf Wittow
Der Bakenberg bezeichnet eine bis zu 29 Meter hohe Erhebung auf der Halbinsel Wittow. Wir sind nun im Nordwesten, der Berg gehört zur Gemeinde Dranske und umfasst ein ungreifbar riesiges Areal an Ferienunterkünften. Seit den fünfziger Jahren wächst dieses beliebte Feriengebiet. Campingplätze, Bungalowdörfer und Ferienhaussiedlungen. Bunt gewürfelt. Tausende Urlauberbetten, die Zahl 6000 fiel irgendwo – wechseln hier Woche für Woche den Hintern, der die Mulde in der Matratze immer tiefer werden lässt. Ufff… am Anfang fand ich die bunten Häuschen zwischen den Kiefern noch niedlich… irgendwann dachte ich: Hört das gar nicht mehr auf?
Sicherlich ein tolles Gelände für Familien mit Kindern. Ein langer feinkörniger Sandstrand liegt in unmittelbarer Nähe und die Campingplätze sind mit der bekannten Infrastruktur wie kleiner Eisshop, Grillmöglichkeiten, Restaurants und und und ausgestattet.
Hier mal paar Impressionen:
Ein bisschen spannend wird es allerdings, wenn man sich mal den Wikipedia-Eintrag zu diesem Ort durchliest. Zu DDR-Zeiten war es verboten, nach 22 Uhr am Strand zu sein. So wollte man Republikflüchtige begrenzen. Schauerliche Vorstellung eigentlich, die Ostsee bei Nacht zu durchschwimmen. Was die Menschen in ihrer Verzweiflung nicht alles versucht haben.
Hungrig greift auch der Sturm so ab und an nach einem der Häuschen… fast als wolle die Natur sagen: Mensch, es reicht. Stell nicht noch mehr Ferienhäuser auf die Insel. Ich hole sie alle weg.
Also wenn Du Fan von Bungalowdörfern und Massenabfertigung bist, dann auf nach Bakenberg. Mein Fall ist das bekanntlich nicht – aber gut. Jeder will an die Ostsee, da müssen wir alle ein bisschen zusammenrutschen. Wir rutschen nun ein paar Meter auf Wittow weiter gen Westen:
Die Kreptitzer Heide
Wir stehen nun im 2006 zum Naturschutzgebiet ernannten: Nordwestufer Wittow und Kreptitzer Heide. Durch ein kleines Holztor treten wir in das feinsandige Gelände ein. Ein Hinweisschild gebietet uns, auf den Wegen zu bleiben und verbietet uns, an der Steilküste zu klettern. (Kommt tatsächlich jemand auf die Idee, an einer porösen Steilküste zu klettern?) Ebenso darf in diesem Gelände weder mit einem Gefährt gefahren, noch geritten werden. Wir schieben unser Fahrrad.
Die Kreptitzer Heide zeigt als Rest einer ursprünglich ausgedehnten Küstenheide, wie stark und vor allem wie schnell sich Kulturlandschaften verändern. Nach jahrhundertelanger Nutzung wurde laut Hinweistafel vor Ort 1990 hier die Beweidung durch Schafe eingestellt. Mittlerweile ist das Gelände Kreptitzer Heide eingezäunt und wird wieder mit 30-40 Schafen beweidet. Außer einer Menge der berühmten kleinen Knödel haben wir nix gesehen. Wir durchschreiten das Ausgangstor und sehen eine Treppe.
Und natürlich macht die lange Treppe zur Überwindung des Steilufers neugierig. Ein Schild meint: „Stairway to wavesealing heaven“ (was soviel meint wie: „Die Treppe zum Surferhimmel“).
Ursprünglich stand hier eine alte marode Treppe, welche abgerissen werden sollte. Das hätte bedeutet, das Surfer nicht mehr zum Strand gelangt wären. Eine neue Treppe war durch die Gemeinde Dranske nicht vorgesehen.
Die neue Treppe ist ein modernes Projekt, angestoßen durch den Rüganer Windsurfer Dag Buss, um Naturschutz und Wassersport geschickt miteinander zu verbinden. In einem Crowdfundingprojekt wurde im Sommer 2020 Geld über die Plattform startnext.com gesammelt, um den Surferspot Kreptitz zu erhalten. Was ja, wie Ihr seht, gelungen ist. Großartig!
Unten am Strand angekommen, wird die Verletzlichkeit dieser Steilküsten nochmal so richtig bewusst. Im Prinzip eine einzige Abbruchkante, ständig aktiv durch Sturm, Hochwasser und starke, küstenparallele Wellenbewegungen. Mit der Meeresströmung wird das erodierte Material wegtransportiert. Ein permanenter Küstenrückgang.
Es sind wenige Leute am Strand. Im Wasser stehen ein paar Angler und weiter hinten sammelt jemand Steine. Wohlgemerkt in einem Naturschutzgebiet unterwegs mit Beutel. Da komme ich grad mal ins Rechnen. Wenn sich allein jeder der 6000 wöchentlichen Bakenberg-Touristen ein Beutelchen mit Steinen sammelt. Sagen wir mal, jedes Beutelchen wiegt 1 Kilogramm – verschwinden Woche für Woche 6000 Kilo Steine von der Insel. Das macht bei 52 Wochen die ein Jahr durchschnittlich hat:
312.000 Kilo Steine!!!
Ach übrigens. Die ganze Insel Rügen hat 75.000 Betten. Angenommen jeder dieser 75.000 Urlauber sammelt pro Woche 1 Kilo Steine. Dann macht das am Ende eines Jahres:
3.900.000 Kilogramm Steine!!!
Jetzt erzählt mir nochmal was von Meeresströmung und Winderosion… Liebe Leute, lasst bitte die Steine liegen! Deko für Euren Garten gibt es doch wirklich im Baumarkt genug.
So. Zeigefinger geht wieder runter und wir düsen rüber nach Dranske.
Dranske, Bug und der Blick nach Hiddensee
Tja, Dranske.
Was fällt mir dazu ein.
Dranske ist für mich ein sehr unscheinbares und auf den ersten Blick gleichgültiges Örtchen. Hier scheint die Zeit stehengeblieben. Die Gemeindeseite lädt zum Subbotnik, also dem unentgeltlichen Arbeitseinsatz am Samstag, ein ursprünglich sojwetisch geprägter Begriff, welcher in der ehemaligen DDR ganz üblich war.
Reiten wir auf dem ausgezeichneten Radweg doch erst mal rein… der Blick stockt und entdeckt einige Würfel sozialistischer Bauweise. Wer mag wohl in dieser Einöde Häuser dieser Größenordnung gebraucht haben?
Das beschauliche Örtchen schreibt eine bewegte Geschichte, die maßgeblich und ausgehend vom 1. Weltkrieg durch militärische Aktivitäten auf der nahe gelegenen Halbinsel Bug bestimmt wurde.
Ganze Ortsteile des ehemaligen Fischerdorfes wurden abgerissen, um Platz zu machen für Militärs des 2. Weltkrieges und ihre Familien. Später übernahmen die sowjetischen Truppen das Gelände auf der Halbinsel Bug und ab 1961 die Nationale Volksarmee der ehemaligen DDR. Im Zuge dessen entstanden in Dranske die bereits erwähnten Großplattenbauten. Dranske gewinnt an touristischer Bedeutung, doch mit dem Fall der Mauer und dem damit verbundenen Auflösen des Marinestützpunktes, verliert Dranske seinen wichtigsten Arbeitgeber. Es kommt zum dramatischen Bevölkerungsschwund und wieder zum Abriss vieler Bauten. (Quelle: www.gemeinde-dranske.de)
Stück für Stück gewinnt Dranske nun wieder und vor allem an touristischer Bedeutung. Warum auch nicht. Der Ort liegt fantastisch, die Ruhe ist herrlich, denn längst haben wir den Ort durchradelt und stehen am gefühlt endlosen Strand. In der Ferne erblicken wir Hiddensee.
Wenn da mal nicht die Sache mit dem Bug wäre. Die Halbinsel Bug ist Privatgelände, darf nicht oder nur im Rahmen einer Führung betreten werden. Vor Jahren hatte ich mal das Glück, als ich zu einem Fastenurlaub auf Rügen war. Vielleicht finde ich irgendwann noch ein altes Foto.
Heute stehen wir jedenfalls vor verschlossenem Tor.
Vielleicht wird sich das schon bald ändern. Denn mit dem Bug hat man große Pläne. Noch mehr Holiday, noch viel mehr Urlauberunterkünfte. 2021 ging eine mächtige Welle durch die Medien, als bekannt wurde, dass das Megaprojekt: „Island Baltic Eco Resort“ an den Start gehen sollte. Im Programm: 2300 neue Urlauberbetten, mehrere Hotels, Erlebnisbad, Marina mit 400 Anlegeplätzen. Kritisch hinterfragt und in einer kurzen Doku aufbereitet hat das unter anderem der NDR.
Immer wieder springen wohl Investoren ab, sofern man überhaupt welche findet. Insofern kann es durchaus noch dauern, bis die Megapläne dann auch tatsächlich umgesetzt werden. Bis es soweit ist, gehen wir jetzt lieber erst mal was essen. Gar nicht so leicht in der Nebensaison, die meisten Restaurants haben noch geschlossen.Wie es der Zufall will, leuchtet in einem Restaurant eine Lichterkette… da scheint offen zu sein. Also nix wie rein ins Fischrestaurant zum Anker.
Und was spontan und unscheinbar anfängt, entpuppt sich zu einem wirklich schönen Restaurantbesuch. Wir werden freundlich empfangen, platziert und in einem ganz angenehmen Tempo bedient. Seltenerweise gibt es sogar für mich Fisch, wie ihr wisst, esse ich ja im Prinzip seit vielen Jahren weder Fleisch noch Fisch. An der See lasse ich mich jedoch hin und wieder auf ein Fischgericht ein. Es hat wirklich sehr gut gemundet.
Wir kommen dann noch ein wenig mit dem Restaurantbetreiber Roberto Gräfenhain ins Gespräch. Zusammen mit seiner Frau betreiben sie dieses Lokal seit 2010. Dem steten Wandel, sei es bei den Fischsorten – oder eben die geplanten Megatouriburgen auf Bug sehen die Betreiber gelassen entgegen. Einfach gute und bezahlbare Küche bieten ist ihr Credo und zahlt sich durch treue Kunden aus. Hier essen geht in der Saison nur mit reservieren, sonst wirds schwierig – die Plätze sind meistens ausgebucht. Für die Wartezeit auf das Essen, hält er Bücher über die Geschichte des Ortes bereit.
Vielen Dank an dieser Stelle für die gute Zeit, die wir bei Ihnen haben durften! Und so sieht es innen aus.
Und nur weil wir vom Restaurantbesitzer darauf aufmerksam gemacht worden sind, fällt nun auch das blaue Band auf dem Gehweg auf, welches durch Dranske führt. Es beschreibt den kürzesten Weg von der Ostsee zum Bodden. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich der Ort weiterentwickelt.
Wie Du auf dem Radschild sehen kannst, ist das Kap Arkona 17 Kilometer entfernt. Da radeln wir jetzt wieder hin, denn ganz in der Nähe gibt es noch ein kleines Örtchen, was bei einer Rundtour über die Halbinsel Wittow auf keinen Fall fehlen darf.
Das kleine Fischerdorf Vitt
Ganz in der Nähe zwischen dem Örtchen Putgarden und dem Kap Arkona findet sich wohl eines der niedlichsten Dörfchen der Insel Rügen. Das Fischerdorf Vitt. Aber um es nicht allzusehr zu verklären, im Sommer ist dieses Dorf ein einziger Touristenhotspot. Wenn Du kannst, komme einfach nicht unbedingt in der Hauptsaison. Von Putgarden aus, kannst Du laufen oder Dich mit Bus oder Bimmelbahn hinfahren lassen. Die Busse halten in der Nähe der kleinen mit Herzen bemalten, achteckigen Kapelle von Vitt.
Genau wie Dranske oder viele Orte auf Rügen, hat auch Vitt eine lange Geschichte. Erste Erwähnungen finden sich bereits um 1290. Über eine kleine Treppe gelangst Du zum Ort. Von oben gibt es einen wunderschönen Blick über den Ort mit seinen reetgedeckten Häusern.
Dann ergibt sich ein Minibummel durch den Ort, die Häuser scheinen im Moment noch unbewohnt und ungenutzt. Die Ruhe vor dem Sturm. Der kurze Weg zum Fischerhafen ist dennoch sehr schön.
Der Ort fällt zum Meer ab, der Weg besteht aus Pflastersteinen und die Räder müssen geschoben werden. Hier flaniert man und lässt sich zumindest gedanklich in alte Zeiten zurück tragen. In eine Zeit, wo das Silber des Meeres – hier die Gangart bestimmte. Irgendwie war jeder im Geschäft mit dem Fisch eingesponnen. Jetzt fährt nur noch einer zur See. Der letzte Fischer des Ortes.
Weiter hinten sieht man die Steilküste vom Kap Arkona und den Peilturm.
Und inmitten der Hafenszenerie: Eine kleine traurige Skulptur fristet ihr Dasein aus den Müllfunden des Meeres. Ein Kamm aus Plastik stellt mit ein paar Federn die Haare dar. Ein Styroporbolzen den Kopf. Unzählige Hygienemasken bilden den hässlichen Halsschmuck. Ein altes Fischernetz den Rock. Ich hab´s verstanden. Schön aufpassen, dass auch wirklich kein Bonbonpapier am Boden landet. Und auch jeder andere Müll gehört in den eigenen Rucksack.
Wir machen uns nun noch mal auf den Weg gen Osten der Halbinsel Wittow. Einen spannenden Ort haben wir für Euch noch besucht.
Wiek auf Rügen – Urlaubsziel für Insider
Vom Kap Arkona ist es mit dem Rad gar nicht so weit bis nach Wieck. Wir durchfahren dafür zunächst die kleine Gemeinde Putgarden. Dieser Ort ist vor allem als Ausgangsort zum Kap bekannt. Insofern findest Du hier den Großparkplatz, auf dem es übrigens auch die Möglichkeit gibt, mit dem Wohnmobil für 20 Euro über Nachtz zu stehen.
Wir durchfahren dann das Örtchen Altenkirchen. Hier fällt uns auf, dass Rügen hier allgemein voll im Programm ist. Der Dönerladen nennt sich „Rügengrill“ und die Heilpraktikerpraxis titelt mit: „Rügen-Schmerz“.
Marcus navigiert uns fernab des eigentlichen Radweges und ja, das sollte man wirklich ab und an mal machen. Von den üblichen Pfaden abweichen. Nur dadurch fahren wir an der wunderschön in einem Garten gelegenen evangelischen Kirche vorbei.
Noch spektakulärer wirds dann an der Gutsanlage Lanckensburg. Dieses Gutshaus wurde im 18. Jahrhundert errichtet. Solche Bauten kennt man in den üblichen und mittlerweile blankgeputzten Seebädern eher nicht mehr. Aber hier, irgendwo auf dem Land, braucht es etwas länger, bis alte Anlagen sich wandeln. Neben dem riesigen Stallspeicher steht das Stallgebäude. Das eigentliche Gutshaus existiert nicht mehr. Die Gebäude wurden seit 1990 nicht mehr genutzt. (Quelle: gutshaeuser.de) Augenscheinlich wird gerade mühsehlig versucht, die Konstruktion zu sichern.
Wir verweilen nur kurz, denn der Tag neigt sich dem Ende und wir wollen doch noch Wieck auf Rügen erkunden. Allein die kleinen, als Radwege ausgeschilderten Landstraßen machen Spaß zu fahren. Irgendwann stehen wir am Ortseingang:
Die Gemeindeseite dieses Ortes wirbt mit dem Urlaubsziel für Insider, die Stadt Wieck ist staatlich anerkannter Erholungsort. Warum das besonders für Insider interessant sein könnte, schauen wir uns jetzt mal an. Sicherlich ist die beschauliche Lage am Wiecker Bodden ein Argument. Da ist es einfach ruhiger. Doch bevor wir da ankommen, durchradeln wir kleine Eigenheimsiedlungen, kommen am Dorfteich und der Dorfkirche vorbei.
Doch uns zieht es eher zum Hafen, denn der hält eine kleine Besonderheit bereit. An der Promenade gibt es eins zwei Lokale, ein paar wenige Leute holen sich sogar schon ein Eis. Und einige Boote ankern – aber so im allgemeinen ist es eher ruhig.
Die Besonderheit des Ortes findet sich am Hafen. Und zwar ist es die sogenannte Kreidebrücke, ein technisches Denkmal. Diese wurde um 1914 als Verladebrücke gebaut. Die Idee kam im Zuge eines geplanten Kreidetagebaus in der Nähe von Putgarden. Eine Feldbahn sollte die Kreide zum Wiecker Hafen transportieren. Die für den Transport vorgesehenen Schiffe sollten unter dem Brückenbogen festmachen und die Kreide aus den Feldbahnloren direkt in die Schiffe gekippt werden. Dann sollten die Schiffe weiter nach Stralsund fahren.
Eigentlich eine gute Idee, doch mit dem Ende des 1. Weltkrieges wurde die Erschließung des Kreidetagebaus bei Arkona aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben. (Quelle: Infotafel vor Ort)
Die Brücke wurde in den Jahren 2013/2014 saniert und ist Zeugnis, für eine Industrie, welche Anfang des 20. Jahrhunderts zwar stark wuchs. Dennoch wurde nicht eine Lore Kreide auf die Brücke gefahren, geschweige denn dort abgekippt. Heute ist die Brücke ein schönes Ausflugsziel. Von der „schwebenden Promenade“ bietet sich ein schöner Blick über den Wiecker Bodden sowie das Hafengelände.
Heute starten hier Ausflugsboote zum Beispiel gen Hiddensee.
Hübsch fand ich auch das in Stein gemeiselte Stadtwappen am Hafen. Es zeigt Elemente der langen und wechselvollen Geschichte des Ortes, dessen Geschichte bis in die Slawenzeit hineinreicht.
Wir beschließen den Tag in Wieck mit einem spektakulären Sonnenuntergang mit Blick Richtung Hiddensee. Allein das könnte schon ein Argument sein, hier mal Urlaub zu machen. Der Anschluß an das gute Radwegenetz, der ruhige Ort allgemein aber eben auch die Nähe zur Ostsee machen den Platz attraktiv.
Es war spannend zu sehen, wie nahezu auf Knopfdruck die Enten ihre Köpfe ins Gefieder steckten. Just – als das Universum das Licht ausgeknipst hat. Marcus fotografiert ja gerne, lange und viel. Wir versuchen uns gute 2 Stunden mit springen und rennen warm zu halten. Später – als es wirklich stockfinster ist, fahren wir im Schein der Sterne zurücke auf die Ostseeseite Richtung Juliusruh. Nette Tour, keinerlei Leute mehr unterwegs.
Das Ende vom Lied über die Halbinsel Wittow
Ja was ist das Ende vom Lied? Ein Fazit? Noch ein paar Impressionen? Ich habe noch massig Bilder – viel zu viel für einen Beitrag. Aber als Fazit lässt sich sicherlich sagen, dass die Halbinsel Wittow mehr als nur eine Reise wert ist.
In ein paar Bildimpressionen zeige ich Dir noch ein paar schöne Momente unserer Reise:
Unweit vom Fischerdorf Vitt findet sich einer der schönsten Aussichtspunkte der Insel. Und wie es der Zufall so will, kommen wir genau im Sonnenuntergang hier vorbei.
Vielen Dank, dass Du diese gigantische Reise virtuell mit mir mit gereist bist. Hast Du tatsächlich bis zum Ende gelesen? Dann habe ich noch meinen allerliebsten Geheimtipp, der zwar schon längst keiner mehr ist – aber ein kleines Cafe, was Du unbedingt mal besuchen must. Wenn Du am Kap Arkona, im Fischerdorf Vitt oder Putgarden bist – suche bei google maps einfach nach dem Steilufercafe: „Zur kleinen Rast“ und lass Dir das auf die Faust gekaufte Stück Kuchen mit Blick von der Klippe schmecken. Im Sommer werden hier sogar Strandkörbe aufgestellt – aber jetzt im März als wir da waren, war nur der leere Verkaufsstand zu sehen. PS: Die Saison ist im April gestartet!
Hach… Rügen ist so schön. Am liebsten möchte ich die Insel nie verlassen und zögere die Abreise bis zum letzten Moment hinaus. Dieses Mal haben wir einen schönen Abschluß in Altefähr gefunden. Der Ort, mit Blick auf die Skyline von Stralsund. Und nein, es hat nicht lange gedauert, dieses megaschöne Foto zu erstellen… Marcus hat einfach nur von irgendwo weit hinten gerufen: „Bleib maaal stehehen“
Ok, habe ich gemacht 🙂
Noch mehr Rügen findest Du hier:
Quellen:
2 Kommentare
Guten Morgen, was für ein schönes Reiseziel;)
Grüße
Willem
Hallo Willem. Absolut! Lg Sandra