Tripp Tipp

Die Donauversickerung bei Möhringen

Lesedauer 8 Minuten

Heute komme ich mal mit einem kleinen geologischen Krimi um die Ecke, der dich hoffentlich mindestens genauso staunen lässt, wie uns. Es geht um die Donauversickerung oder auch Donauversinkung bei Möhringen. Das Wort Donau kennst du, logisch. Das ist der breite Fluß, der in der Nähe von Donaueschingen in Baden-Würtemberg entspringt und irgendwann, nachdem sie viele Länder durchflossen hat, ins schwarze Meer mündet. Und unter einer Versickerung kannst du dir auch was vorstellen. Irgendetwas Flüssiges verschwindet im Erdreich. Aber wie die zwei Worte – also der mächtige Fluss Donau und dann das Versickern zusammenpassen, darum geht es in diesem Beitrag. Denn das ist wirklich irgendwas zwischen phänomenal und kriminell. Wie immer starte ich ganz von vorn.

Was ist die Donauversickerung – und wie komme ich hin?

So unvorstellbar das ist – aber die Donauversickerung ist der Punkt im Verlauf der schönen Donau, wo der Fluss einfach so im Erdreich versickert. So unschön dieses weltweit einzigartige Phänomen vor allem für die Gewerbetreibenden vor Ort ist, es reicht auf jeden Fall aus, um eine touristische Attraktion draus werden zu lassen. Wir reisen also bis ganz in den Süden von Deutschland.

Hier in Baden-Würtemberg, ganz in der Nähe der kleinen Gemeinden Immendingen und Möhringen parken wir auf auf dem Wander- und Ausflugsparkplatz Donauversickerung (K5944, 78532 Tuttlingen). Der Parkplatz ist kostenfrei, es ist nicht viel los auf diesem Parkplatz – wir haben augenscheinlich die Donauversickerung für uns allein und studieren als erstes die Informationstafeln auf dem Parkplatz und schlendern dann mal los.

Dem Phänomen auf der Spur – wir wandern zur Donauversickerung

Vom Parkplatz aus sind es nur wenige Gehminuten und ein paar weitere Infotafeln, bis wir endlich vor dem ersten Indiz stehen, dass die Donau wirklich irgendwie zu verschwinden scheint.

Krass. Wir stehen vor einem komplett ausgetrockneten Flussbett indem sich mehrere große Felsbrocken befinden, die zur Überquerung des Flusses dienen, so er denn dann mal Wasser führt. Das ist dann maximal in den wasserreichen Wintermonaten der Fall, denn das Phänomen der Donauversickerung ist momentan ein temporäres. Hier, im Möhringer Donautal, welches bis zu 500 Meter breit ist, grub sich einst ein von reichlich alpinen Wassermassen gespeister Fluss durchs Gestein. Doch stell´ dir vor. Es ist der uns allen bekannte Rhein, welcher der Donau das Wasser abspenstig macht und es statt in Richtung Schwarzes Meer dann zur Nordsee transportiert.

Eiderdaus, hier scheint´s mit dem Teufel zuzugehen.

Nur in den Sommermonaten trocknet also das Flussbett aus, weil die Niederschläge schlicht nicht ausreichen, das Flussbett trotz der Versickerung mit Wasser zu füllen. Wenn die niederschlagsreiche Zeit beginnt, füllt es sich wieder und kann der kompletten Versickerung ob der reichen Wassermassen zumindest gefühlt ein Stück weit Stand halten. Weiterhin gibt es an dieser ersten von uns explorierten Stelle einen Pegelstab mit Hochwassermarken und das blaue touristische Symbol.

Wo verschwindet die Donau im Sommer?

Gut. Jetzt stehen wir also erst mal vor und natürlich auch direkt im vertrockneten Flussbett, drehen uns in alle Richtungen und bleiben dennoch ratlos. Wo versickert denn nun die Donau. Und vor allem: Warum?

Wir laufen flussaufwärts und zwar immer in diesem trockenen Flussbett entlang. Das allein hat ja tatsächlich schon einen ganz eigenwilligen Reiz und verlaufen ist quasi unmöglich. Es riecht ungefähr so wie an der Ostsee, wenn an den Strand gespülte Wasserpflanzen ihren mehr oder weniger angenehmen Duft entfalten. Ein kleiner Trampelpfad zeigt, dass hier doch recht viele Leute schon gelaufen sein müssen. Gerade ist nix los hier und dennoch ist es irgendwie aufregend. Es dauert vielleicht so 15 Minuten bis wir sehen, dass die Steine des Flussbettes feuchter werden. Ein heiße Spur. Wir laufen weiter, es geht ganz leicht bergan und irgendwann steht plötzlich das Wasser vor uns.

Ein ganz eigenartiges und dennoch freudiges Gefühl. Wir erhoffen uns natürlich noch weitere bildhafte Details in der Geschichte dieser Donauversickerung. Wir werden sie auch finden. Doch nun wechseln wir erst einmal auf den kleinen, das Flußbett begleitenden Wanderpfad.

Das mit Wasser gefüllte Flussbett

Nach weiteren wenigen Minuten und insgesamt circa 1,5 Kilometern sind wir an dem Punkt angelangt, um den sich hier im wahrsten Sinne des Wortes alles dreht. Die Donauversickerung. Wie sie sehen – sehen sie erst einmal nix. Aber es ist dennoch ganz deutlich, dass das Wasser im Erdreich verschwindet. Denn alles oberhalb dieser Stelle ist ein ganz normales Flussbett – alles unterhalb dieser Stelle ist ein ausgetrocknetes Flussbett. Wirklich irre.

Das was hier vor sich geht, fiel bereits vor 1000 Jahren auf. Auch war die Aachquelle, auf die ich später noch kommen werde, schon im Gespräch, nur konnte man es nicht beweisen. Echte Beweise mittels Färbeversuchen gab es erstmals 1877. Weit vorher kam es bereits zu Beschwerden, als den hier ansässigen Müllern das Wasser für ihre Mühlen ausging. Kaum vorstellbar, wie verzweifelt die gewesen sein müssen. Und so muss man sich einfach bewusst machen, dass jede Wasserader wichtige Wirtschaftskraft für die jeweilige Region ist. Das wir heute hier entspannt spazieren gehen – ist reinster Luxus und eigentlich eine Verzerrung der Realität

Die Infotafeln erklären es anschaulich – das Problem der Donauversickerung schreitet voran. Waren es noch vor 100 Jahren etwa 60 Tage im Jahr, die die Donau an dieser Stelle trocken fiel, so ist es heutzutage mindestens ein halbes Jahr, indem du trockenen Fußes im Flussbett spazieren gehen kannst.

Doch warum versickert die Donau?

Der Vorgang ist eigentlich ganz banal – das Wasser verschwindet im wasserlöslichen Kalkgestein. Dieses Kalkgestein stammt aus der Jurazeit und das Wasser fliest in sich bildende Spalten und Hohlräume. Da der Lösungsprozess dieses Gesteins fortschreitet, nehmen auch die Versickerungsmengen und die sogenannten Vollversickerungstage zu. Das klingt echt dramatisch, oder? Irgendwann wird es die Donau an dieser Stelle hier überhaupt nicht mehr geben.

Doch Wasser wäre nicht Wasser, wenn es nicht seinen Weg finden würde. Es folgt dem Gefälle und natürlich auch dem Weg des geringsten Widerstandes. Und so durchdringt das Donauwasser innerhalb von circa 60 Stunden die hier verlaufende europäische Wasserscheide und damit das unterirdische Gestein um in Luftlinie 12 Kilometer weiter und ganze 175 Meter tiefer durch die Aachquelle wieder ans Tageslicht zu treten. Von dort aus fließt das ursprüngliche Donauwasser dann über das Flüsschen Aach zum Bodensee und über den Rhein dann gen Nordsee. Und auf diese Art kämpfen Rhein und Donau Tag für Tag um jeden Tropfen Wasser.

Jetzt ist es raus: Die Donau, einer der längsten Flüsse Europas ist also ein Nebenfluss des Rheins.

Irgendwie fassungslos tippeln wir an der Stelle, wo die Wasserpfütze trotz Zufluss nicht größer wird, auf und ab und starren auf eben diese Wasserpfütze. Auch wenn wir es gerade leibhaftig erleben dürfen, ist es irgendwie unvorstellbar, was hier passiert. Da verschwindet einfach ein Fluss im Boden.

Marcus hat natürlich fototechnisch eine geniale Idee, wie wir dir die Donauversickerung bildlich zeigen können.  Auf dem Bild ist der Strudel zu sehen, der ähnlich wie in deinem Abwaschbecken auch hier entsteht, wenn das Wasser im Untergrund verschwindet. Hammer, oder?

Strudel der Donauversickerung

Die Donau im Wandel der Jahreszeiten

Hier im Bereich der Donauversickerung bei Möhringen spricht man regelrecht von einer Sommerdonau und einer Winterdonau. Während mittlerweile an bis zu 200 Tagen pro Jahr das Flussbett trocken fällt, führt der im Winter recht hohe Pegelstand teils zu wüsten Überschwemmungen. Ein regelrechter Charakterfluss, den man zu nehmen wissen muss, wie mir scheint.

Und genauso ist es. Längst führte man Überlegungen an, die Versickerungsstellen zu versiegeln. Denn nicht allein hier in Möhringen fehlt das Wasser, sondern ein paar Kilometer weiter im Städtchen Tuttlingen waren früher oder sind auch noch wesentlich mehr Gerbereien oder Mühlen vom Donauwasser abhängig. Dann würde ja aber das Wasser an der Aach fehlen, also dem Fluss der das Wasser gen Bodensee transportiert.

Nach einigem rechtlichen Hin- und Her erließ man 1937 das Donau-Aach-Gesetz. Aufgrunddessen konnte ein Kanal gebaut werden, der oberhalb der Versickerungsstellen entnimmt und es unterhalb der Versickerung wieder zuführt, ganz expilizit, damit Tuttlingen weiterhin von Donauwasser gespeist wird.

Wo tritt die Donau wieder an die Oberfläche – auf zum Aachtopf

Es liegt auf der Hand oder im Naturell der menschlichen Neugier, dass wir nun natürlich auch die Stelle sehen wollen, wo das Wasser wieder zu Tage tritt.

Wir fahren also nach Aach und parken kostenfrei auf dem Besucherparkplatz der direkt vor der Quelle liegt. Auch hier sind wir heute ganz alleine und haben den Aachtopf für uns. Erst einmal oberflächlich betrachtet liegt vor uns ein durch recht viele Wasserpflanzen grün wirkender Teich. Allein an den Pflanzen sieht man, dass eine starke Strömung im Wasser herrscht. Wir laufen einmal rundherum.

Aachtopf

In Wirklichkeit ist diese Aachquelle oder eben der Aachtopf die größte Quelle in Deutschland und der Ursprung der Hegauer Aach und damit ein ebenso spannendes Naturphänomen wie die Donauversickerung.

Dieser Quelltopf ist sage und schreibe 18 Meter tief und soll sich in einer über 400 Meter langen Quellhöhle fortsetzen. Unvorstellbare 8000 Liter pro Sekunde quellen durchschnittlich aus der Tiefe empor.

Ein paar Miniansätze lassen sich unter der Wasseroberfläche vermuten. Zerklüfteter Fels – viel mehr sieht man nicht. Aber allein die Ahnung, welchen Weg das Wasser hier nimmt, macht auch diesen Ort ein wenig aufregend.

Quelltopf der Aachquelle und hinter der Brücke die Sarahspalte

An schönen Tagen kann man sich im Biergarten am Aachtopf sicherlich gemütlich hinsetzen und dem Fließen des Wassers zuschauen. An sehr wasserreichen Tagen soll dieser Quelltopf regelrecht sprudeln wie ein Hexenkessel. Vielleicht hast du ja das Glück, das mal zu erleben.

Wir jedenfalls sind auch ohne Hexensprudelei mächtig beeindruckt gewesen von diesen Natürpähnomenen Donauversickerung und Aachtopf. Vielen Dank, dass Du dieses Mal mit uns ein wenig geologisch gereist bist. Schau´ gern demnächst wieder hier hinein. Die Tour durch Deutschland hat noch einige spannende Ecken hervorgetan über die ich in nächster Zeit auf jeden Fall berichten werde.

Fazit und Übersicht

Um es nochmal ganz kurz zusammenzufassen. Die Donau verschwindet bei Möhringen im kalkreichen Erdreich und tritt in 12 Kilometer Entfernung mittels der Aachquelle ans Tageslicht. Dazwischen liegt ein weit verzweigtes Höhlensystem, welches diese Grafik, recht anschaulich zeigt. (Quelle: Infotafel vor Ort)

Donauversickerung Übersicht

 

Und hier noch ein kleiner Nachtrag:

Durch welche Länder fließt eigentlich die Donau?

Das hat zwar mit der Donauversickerung an sich nix zu tun. Aber im Zuge dieser Berichterstattung ist mir diese Frage aufgekommen. Ich konnte sie nicht aus dem Stehgreif beantworten. Vielleicht geht es dir ja genauso und deshalb zähle ich einfach mal all die Länder auf, durch die die Donau auf ihrem Weg zum Schwarzen Meer fließt: Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, die Republik Moldau und die Ukraine.

 

Und noch ein paar allgmeine Infos:

Beste Wanderzeit, um durch das Flussbett der Donau zu laufen ist von Mai bis September. Wir waren im Oktober da und konnten ebenfalls noch locker laufen. Du ahnst es – es hängt von der jeweiligen Wetterlage ab. Bei sehr starken Regenfällen kann sich das Bild schnell ändern.

Wenn dich solche Höhlen beeindrucken, ist es sicherlich richtig spannend, auf der Seite des Vereins: Freunde der Aachhöhle e.V. zu stöbern. Da finden sich zum Beispiel Fotos von Höhlenexpeditionen oder auch ein Foto von einem versteinerten Seeigel.

 

 

Quellen:

https://www.tuttlingen.de/de/Kultur-Tourismus/Tourismus/Sehenswertes/Donau/Donauversickerung

Infotafeln an der Donauversickerung

Infotafeln am Aachtopf

 

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