Corona schickt uns alle auf eine ganz besondere Reise
…solange sich meine Finger bewegen – tippe ich auch. Was sollte da ein Virus daran ändern? Nix. Ganz und gar nix. Viele Bloggerkollegen fragen sich gerade, ob reise-bloggen in dieser Krise sinnvoll ist – warum denn nicht? Auch wenn ich hier eigentlich einen Reiseblog betreibe und es augenscheinlich im Moment nicht so viel über unsere Reisen zu berichten gibt, so gibt es doch noch eine Menge Material auf Halde.
Heute möchte ich ein paar Impressionen aus Potsdam, von meinem Arbeitsweg in der ersten Woche mit Ausgangsbeschränkung teilen. Je nach Uhrzeit sind die Straßen mal total leergefeegt und zu anderen Zeiten, habe ich das Gefühl, es ist alles normal. Zum Beispiel, wenn ich so circa 15.00 oder 16.00 Uhr aus der Praxis heim radle, dann ist hier eine Menge los.
Morgens. Nur ein Steinwurf von Potsdam Bornstedt, wo ich wohne, liegt die Alexandrowka. Stets frequentiert von Spaziergängern, Touristengruppen – alle wollen sie die 13 niedlichen Holzhäuschen sehen.
Die Alexandrowka gilt als Weltkulturerbe und wurde im Jahre 1823 erbaut.
Erst als ich fast durch bin, realisiere ich – dass ich die kleine russische Kolonie gerade fast für mich alleine hatte. Fix hüpfe ich vom Rad und mache eins dieser historischen Fotos …. Alexandrowka ohne Menschen.
Die leergefeegten Straßen sind natürlich irgendwie ein Mekka für uns Blogger und Fotografen. Immer auf der Pirsch nach einem Foto ohne Menschen. Nichts leichter als das – zur Zeit. Zum Beispiel hier in der Friedrich-Ebert Straße mit Blick zum Nauener Tor. Für dieses Bild bin ich auf meinem Arbeitsweg mal kurz vom Rad gesprungen. Gerade hatte ich das Tor durchquert – und blicke nun zurück. Egal wann ich sonst hier vorbei radle – ein Tourist steht garantiert mitten auf der Straße und versucht das Tor zu fotografieren …. wie oft habe ich geflucht, mich geduckt oder weggedreht – weil ich nicht auf sein Bild will und bin dann doch bereitwillig rund um den Tourist herumgeeiert…
…nach ein paar Metern biege ich dann in die Gutenbergstraße. Diese führt im Prinzip einmal durch die ganze Innenstadt und unter anderem auch vorbei am Bassinplatz, wo täglich ein paar Marktstände sind. Weiter hinten am Bassinplatz gibt es eine Grünanlage mit schönen alten Bäumen … naja – und diese tollen Flatterbänder, die kennt ihr alle gerade zur Genüge. Aber auch hier hat es einige Augenblicke gedauert, bis es mal bei mir Klick gemacht hat. Rad abstellen – mal ein Foto machen. Ob nun die Absperrung sinnvoll ist – darüber kann man diskutieren. Ich find´s wichtig, dass die Menschen gerade jetzt, wo die Sonne beginnt uns zu wärmen, rausgehen und ihr Immunsystem stärken. Das Menschen einfach nicht begreifen wollen, dass in Horten zusammensitzen gerade nicht so ideal ist – bringt dann halt einfach solche Lösungen hervor. Mittlerweile werden in Potsdam, zwar glaube ich noch wenig, aber schon erste Bußgelder verhängt, weil Leute durch die Bänder durchkrabbeln.
So hier und da erscheinen an Fenstern und Zäunen mittlerweile selbstgemalte Transparente.
Die einen fordern Solidarität vor Ort, die anderen die Rettung der Flüchtlinge in Griechenland und überhaupt Lösungen an den Grenzen.
…und was würde auf Deinem Transparent stehen, falls Du eines aus dem Fenster hängen würdest?
Mein Lieblingstransparent – vielleicht kann ich es die Tage noch fotografieren – enthält die Aufschrift „Auch das geht vorüber“. Ich kam gerade dazu, als es aufgehangen wurde, da wollte ich nicht direkt die Kamera draufhalten.
Nachdem ich den fulminanten Anstieg der Humboldtbrücke überwunden habe, gönne ich mir einen Blick über die Havel. Selten die Havel so leer gesehen. Keine trainierenden Kanuten, keine Ausflugsboote, keine andere Schifffahrt. Dafür ein ungestörter Blick Richtung Stadt – links der Turm die Heilig Geist Kirche (eine Pflegeeinrichtung – weshalb man böserweise und unter der Hand diesen Turm als „Seelenabschußrampe“ bezeichnet). Weiter rechts die grüne Kuppel gehört zur Nikolaikirche am Alten Markt in der Innenstadt Potsdam. Von da oben hat man einen echt schönen Blick über die Stadt.
Irgendwann später am Nachmittag kehre ich wieder heim – und wie ich eingehend schrieb, zu manchen Uhrzeiten kommt es mir so vor, als wäre nix. Ich fahre also durch den Wiesenpark in Bornstedt und wundere mich schon, warum so exorbitant viele Leute unterwegs sind. Das ist nicht nur mir aufgefallen. Mittlerweile sind die städtischen Kontrolleure aktiviert und das Ordnungsamt patroulliert. Ein Pärchen wird von einer Bank hochgescheucht und ein Jugendlicher vom Sportplatz hinter den Flatterbändern hervorgeholt.
…so und nun noch ein Bild vom letzten Sonntag. Kurz bevor die Ausgehbeschränkung durch die Minister der Länder bekanntgegeben wurde, waren wir noch auf einem kleinen Spaziergang unterwegs. Da wir das unverschämte Glück haben, nur einen Steinwurf vom Schloss Sanssouci entfernt zu wohnen, kommen wir natürlich relativ oft hier vorbei. Und schaut mal – was wir vorgefunden haben. Ein fast leerer Vorplatz vor dem Schloss Sanssouci.
Ich bin hin- und hergerissen. Einerseits bin ich schockiert, nie im Leben hätte ich gedacht, dass in unserer hochzivilisierten und industrialisierten Welt ein Virus ein derartiges Ausmaß annehmen kann. Andererseits genieße ich total, dass Potsdam eben gerade mal nicht von Touristen leergeatmet wird und ich freue mich extrem, dass unsere Natur jetzt mal Ruhe hat. Ist das moralisch verwerflich – sich in diesen Tagen überhaupt über irgendwas zu freuen? …wie auch immer – ich kann das Gefühl dahingehend sowieso nicht abstellen. (übrigens genausowenig ich Gefühle der Traurigkeit, der Ohnmacht, der Erschöpfung, der Nachdenklichkeit, der Wut abstellen kann …. die Freude … die nehme ich aber gerne und die nehme ich gerade ganz bewusst.)
Gerade heute morgen habe ich gelesen, dass die Nationalparks in Kanada, von denen wir letztes Jahr ja einige besucht hatten, derzeit ebenfalls geschlossen sind. Nur zu gut erinnere ich mich an die Flatterbänder – die auch letztes Jahr dort schon gewisse Bereiche zur Regeneration der Natur absperrten. Und ja – es waren unter anderem deutsche Profifotografen, welche hinter diesen Absperrungen rumturnten. Es freut mich also – das nun auch und vor allem diese Bereiche durchatmen können.
Und noch was. Ich staune über mich – wie ich gerade jedes einzelne Flugzeug bestaune, was über unser Haus fliegt. Noch vor wenigen Wochen sind die mir gar nicht mehr aufgefallen. Auch wenn ich selbst leidenschaftlich gern durch die Welt fliege – die Ruhe ist nicht zu verachten, oder?
Also – meine Lieben. Das Glas ist nie ganz leer … Irgendwann, klar, das wird Monate dauern – werden sich die Umstände auch mal wieder etwas normalisieren. Doch bis dahin – bleibt stark und richtet das Augenmerk auf die schönen Dinge. Lest Reiseblogs, schwelgt in Erinnerungen …. und achja – ihr dürft gern einen Gastbeitrag bei mir einreichen, falls Ihr gerade nicht wisst, wohin mit Eurer vielen Zeit!
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