Tripp Tipp

Das kleine feine Örtchen Klietz an der Elbe

Lesedauer 9 Minuten

Ich sehe das Wasser der Elbe, rieche den Herbst, der sich langsam über die weiten Elbwiesen legt, trete im steten Rhythmus meine Pedalen. Ein wirklich großartiges Lebensgefühl. Und dann liegt sie vor mir. Eine der Perlen meiner kleinen Reise entlang der Ostelbe.

Ich möchte euch mit reinnehmen. In einen Ort, wo Geschichte, die gottgegeben verblasst, durch viel Engagement erlebbar bleibt.

Wir fahren mal rein, in die Ortschaft Klietz.

Früher, bis 1993 gab es hier eine Bahnverbindung, heute rollt man entweder über die B107 oder per pedales auf dem Elberadweg ein.

Unser erstes Ziel ist auch gleichzeitig unser Nachtlager. Das Land-gut Hotel Seeblick oder war es doch der blaue Bomber? Ich erklär´s euch gleich.

Seehotel Klietz
Ankunft im Seehotel Klietz

Zunächst die Geschichte vom blauen Bomber in Klietz

Wir dürfen zunächst unsere Räder im abschließbaren Schuppen verstauen und genießen während einer kleinen Pause ein paar koffeinhaltige Spezialitäten auf der Terasse. Erinnert ihr euch? Im letzten Beitrag hatte ich über die auffällige Freundlichkeit der Menschen in diesem Landstrich, Elb-Havel-Winkel berichtet.

Und naja, wie soll es anders sein. Mit uns am Tisch sitzt Maik Kleinod, der Hotelier, der aus einem eigentlich schon dem Verfall zugerechneten Traditionsgebäude, ein wunderschönes und vor allem gepflegtes Hotel geschaffen hat.

die Pedalenspione zu Gast bei Maik Kleinod im Seeblick Klietz

Wir hören seine spannende Gründungsgeschichte. Urprünglich wollte er kurz nach der Jahrtausendwende auf dem Gelände einen Laden eröffnen. Dann kam es doch anders. Der Seeblick fungierte schon immer als Gasthof. Zudem liebten unter anderem die in der Nähe stationierten Soldaten zu DDR-Zeiten ihren „Bomber“. Den blauen Bomber. Den Erzählungen nach wurde hier soviel geraucht, dass die Luft den dafür typischen blauen Schimmer annahm. In diesem Dunst konnte man wohl den korpulenten Kneiper nicht mehr erkennen und so entstand der Name „Blauer Bomber“.

Wie könnte man also jetzt die Tradition brechen? Die Gemeinde machte sich stark und schubste Maik Kleinod mehr oder weniger ins Wasser des Gastgewerbes. Und leider auch ins Elbewasser. Pläne hatte er immer, Erweiterungen am Haus gab es stetig, doch gerade als die nächste Bauphase eingeleutet werden sollte, schwappte die edle Brühe ins Haus. 2013 war das, als die gesamte Region schwer getroffen wurde.

Maik Kleinod scheint mir ein Steh-auf-männchen. Nach vorn schauen, sich nicht unterkriegen lassen. Weder durch´s Hochwasser noch durch Covid-19. Haus wieder in Fahrt bringen und die Region mitentwickeln. Unter anderem setzt er sich für bessere Radwegverbindungen ein. Auch wenn das alles unfassbar viel Arbeit ist, merkt man ihm an, dass er mit Herz und Seele beherbergt. Wirklich schön.

Die ganze Zeit, während er erzählt, muss ich blinzeln, weil mich die Sonne so arg blendet. Und wie von Zauberhand geht auf einmal die Markise ein Stück weiter runter. Es sind die kleinen Dinge, die ganz banalen Aufmerksamkeiten … wisst ihr was ich meine? (ich denke, es war seine Frau, die es uns da noch gemütlicher machen wollte. Dankeschön.)

Die Bockwindmühle in Klietz

So, nun aber mal Schluss mit Sitzen und Käffchen trinken. Wir gehen jetzt zur Bockwindmühle in Klietz, welche noch immer an ihrem originalen Ort steht. Und hier ist sie schon:

Bockwindmühle Klietz
Bockwindmühle Klietz

Also erst einmal ist ja schon sagenhaft, dass dieser Wummie nicht im Boden verankert ist. Sagt mal, was ist denn, wenn hier ein richtiger Sturm weht? Dem noch nicht genug, wir dürfen sogar gleich rein, in dieses wunderschöne Zeitzeugnis.

Glück gehabt, denn …

…bevor sie völlig zerfiel, gründete sich 1994 eine Interessengemeinschaft zum Erhalt der Mühle. 2000 beginnt die Sanierung unter anderem durch Spenden von Lotto-Toto und auch Spenden einheimischer Betriebe und der Bundeswehr. Dazu kamen Fördermittel und Gemeindegelder.

Wir steigen die schmale Treppe hinauf. Links und rechts kann man sich gut am Handlauf festhalten. Direkt drinnen angekommen, fällt das riesige Mühlwerk auf.

Und über dieses Lager, wo der Finger auf dem Bild hinzeigt, dreht die Mühle.

Der komplette Vorgang von Korn zu Mehl kann hier demonstriert werden. Das passiert zur Zeit vor allem für Schulklassen und interessierte Touristen. Und wer nicht spurt … kommt in die Mehlsäcke … neeeeein, natürlich nicht.

…natürlich gibt es in der Mühle die Erklärung, was es alles für Getreide gibt.

…und wie Mühlsteine ausschauen. Mal so hautnah. Leider hat die schöne Abendsonne so ein wenig geblendet. Tut mir leid, ich wollt´s euch trotzdem zeigen.

…und für alle die einen kleinen Ausblick lieben … so ist der Ausblick von der Mühle.

Aber das eigentliche Highlight war, als die Mühle angestellt wurde. Quietschend, rumpelnd und mit ein wenig Anschub von außen setzt sich das schwere Rad in Bewegung und was dann folgt, gleicht einer sanften Rütteltour. Die komplette Mühle ruckelt und rumpelt, ächzt und ich hoffe einfach nur, dass sie und auch ich diese Tour überstehe.

Das war wirklich lustig und dennoch ist es fast harmonischer, von außen den gleichmäßigen Mühlenflügeln beim Drehen zuzuschauen. Den Anwohnern gefällt es bestimmt auch immer wieder, sofort stoppt ein Auto und irgendwer ruft was raus. Hier kennt man sich und freut sich gemeinsam. Toll. Vielen Dank an den jungen Mann, der extra für uns dahingekommen ist, aufgeschlossen und die Mühle in Gang gebracht hat. Also falls ihr mal hier seid, versucht eine Mühlenführung zu bekommen.

Auf zum Hofmuseum Klietz

Für uns geht es noch ein Stück weiter durch den Ort. Jetzt, als wir hier gemütlich durchspazieren, liegt der Ort ruhig da. Hier und da bellt ein Hund oder rollen ein paar Autos über die Bundesstraße. Wesentlich dramatischer trug sich die Geschichte 1945, also am Ende des zweiten Weltkrieges zu. Die letzten Kämpfe wurden ausgefochten. Spuren von amerikanischem Beschuss finden sich an der kurz vor einer Sanierung stehenden Klietzer Dorfkirche.

Direkt schräg gegenüber tut sich nun das Hofmuseum Klietz auf. Ich habe nicht so viel drüber nachgedacht, was mich hier erwarten könnte. Paar landwirtschaftliche Geräte vielleicht. Ackerbau oder Viehzucht. Niedliche Backsteingebäude. Dorf halt. Was man sich als schnell reisender Tourist so denkt. Nur soviel – meine nichterahnten Erwartungen wurden hier stark übertroffen.

So – hier geht es rein. Zu Familie Läufer.

Direkt im Hof werden wir empfangen. Und klar, da sind sie – die landwirtschaftlichen Geräte.

Wir dürfen uns in einen kleinen Raum setzen. Da drin stehen ungefähr 25 kleine Schulkinderstühle. Einen halben Gedanke verschwende ich an die Schulstühlchen, die auf den ersten Blick so gar nicht in ein Hofmuseum passen, aber es bleibt kaum Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich denke mir nur so – hübsches Museum, also das ist es nun. Der kleine Raum mit den Schulstühlchen, paar Wandbehänge. Hm.

Ich werde direkt reingezogen. In eine tolle Geschichte, die Frau Läufer senior erzählt. Es ist eine Geschichte von Kriegsalltag, Abschied und Wiedersehen. Sie liest ein Gedicht vor und ich könnte Stunden diesen Erzählungen lauschen.

Doch Familie Läufer hat noch mehr vor mit uns. Wir dürfen in die Handarbeitsstube. Unzählige Spinnräder stehen hier. So etwas habe ich noch nie gesehen. Beide „Läufer“innen schwingen sich umgehend hinter so ein Rad und demonstrieren uns, wie sie funktionieren. Irre.

Und irgendwie auch wie eine kleine Zeitreise.

Wir bekommen einige Arbeitsschritte gezeigt, wie aus Flachs ein Leinenhemd wird … erst wird der Flachs gedroschen. Nennt man das so? Auf alle Fälle zwischen zwei Holzleisten gelegt und in zügigem Tempo platt gequetscht.

Dann ebenfalls rasch über eine Bürste gezogen und irgendwann entsteht die Spindel für mich ja eher ein Wollpuschel … aus der dann das Garn entsteht.

Weiter drüben dürfen wir dann selbst mal am Webstuhl sitzen und das Schiffchen nach links und rechts durchziehen. Eigentlich bin ich gut koordiniert, dennoch habe ich echt Schwierigkeiten.

Schiffchen rüber nach links, rechten Fuß runterdrücken. Schiffchen rüber nach rechts, linken Fuß runterdrücken. Klingt leicht, erfordert zunächst einiges an Konzentration.

Doch auch das soll´s noch nicht gewesen sein. Wir gehen im Dachboden weiter und es eröffnet sich ein Mekka für Geschichtsschnüffler. Töpfe, Wannen, Bügeleisen, Kleidungsstücke, Fahnen, ja ein ganzes Wohnzimmer, Kinderwagen und und und … die Sammlung der Familie Läufer ist unerschöpflich.

Selbst eine kleine Naturkundeabteilung gibt es. Wann immer sich am Straßenrand irgendwo ein totes Tier findet, hat es wie in Gunther von Hagens Körperwelten die Chance, hier als ausgestopftes Modell sein Jenseitsleben zu fristen.

Sagenhaft.

…hier mal noch ein paar Bilder, damit ihr eine Idee bekommt, was es alles zu sehen gibt. Ich wette – ihr jubelt direkt auf und schreit: „Kenn´ ich“.

Hier bei Läufers wird sogar ab und an noch „gebuttert“. Also Butter hergestellt.

Hier geht es um Schlachtung…. das ist nicht so meine Abteilung …

Und das Wohnzimmer. Es lässt sich tatsächlich nicht mit Fotos darstellen, was mit einem passiert, wenn man im Hofmuseum drin ist. Unentwegt wandern meine Augen umher und entdecken immer wieder neue Details. Das war wirklich großartig. Ich bin komplett begeistert.

 

Der Tag rückt merklich voran und eigentlich sollten wir schon zurück zum Abendessen im Seeblick sein und so werfen wir noch einen kurzen Blick in eine weitere Scheune. Da sind sie nun wirklich. Die landwirtschaftlichen Gerätschaften und die Erntedankränze, welche Frau Läufer junior selbständig anfertigt.

Nebenbei erfahren wir noch, dass das Geschäft übergeben wurde – das Hofmuseum besteht also hoffentlich noch lange weiter. Wenn ihr mal im Ort seid, meldet euch dort telefonisch und fragt, ob ihr vorbeikommen dürft. Offizielle Öffnungszeiten gibt es nämlich nicht. Das Hofmuseum arbeitet sehr viel mit Kindern … jetzt bekommen auch die Stühlchen ihren Sinn.

Mit einen Gedicht auf plattdeutsch über die gute alte Schürze verabschiedet uns Frau Läufer in der historischen Küche. Sehr süß.

Das könnte alles noch Stunden so weitergehen. Dennoch müssen wir los.

Ich bekomme sogar noch ortshistorisches Material für meinen Blog … vielen lieben Dank, das hat mir bei der Nacharbeit für diesen Bericht sehr geholfen.

Und wie wir den Abend im Hotel Seeblick Klietz ausklingen lassen

Dann wird es ein wenig frisch und auch dunkel, dennoch sitzen wir noch ein wenig auf der Terasse und lassen uns das Abendessen schmecken. Von Mattjes über Salat über mein Omelette … alles war sehr lecker. Danke auch hierfür.

Abendessen im Seehotel Klietz
Abendessen im Seehotel Klietz

Mit der wohlberühmten ruhigen Kugel runden wir den Tag ab … bowlen im Keller des Hotels. Eine gute Idee, hatte ich lange nicht mehr gemacht.

So und ich kann es nicht leugnen. Der ereignisreiche Tag, welcher an der Deichbruchgedenkstätte in Fischbeck begann, hat mich doch ein wenig müde gemacht. Ich düse ab in mein Zimmer im Neubau, verfalle gleich in tiefe Träume, doch vorher zeige ich euch mal ein wenig vom Innenleben des Hotels.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

…so ihr Lieben, das war Klietz. Meine Empfehlung habt ihr – ich war wirklich überrascht, was sich aus einem kleinen Ort alles entpuppen kann.

Wart ihr schon mal dort? Kennt ihr den Ort? Schreibt mir gern in die Kommentare.

Für mehr Reiseinspirationen folgt mir gern auf Instagram: tripp_tipp.de

Hier noch paar komprimierte Infos:

  1. Hotel Seeblick: https://www.seeblick-klietz.de/
  2. Hofmuseum Klietz: https://www.klietz-am-see.de/reisen/dashofmuseum/
  3. Bockwindmühle Klietz: (Führung Mühle Klietz: telefonische Anmeldung bei Gemeindeverwaltung 039327 – 238 oder 41 00 6)https://www.klietz-am-see.de/klietzer-geschichte/die-bockwindmuehle/  

Ich habe den Ort im Rahmen der Aktion Pedalenspione besucht. Von Fischbeck sind wir in 2,5 Tagen bis Glöwen geradelt und haben an verschiedenen Stationen Halt gemacht. Den Übersichtsbericht findet ihr hier: https://tripp-tipp.de/kurztrip-an-die-elbe-erste-impressionen-zum-elb-havel-winkel/

Auch an dieser Stelle nochmals vielen Dank an die Klietzer, welche uns einen solch schönen Nachmittag beschert haben. Herr Maik Kleinod vom Hotel Seeblick, der liebe Mann von der Bockwindmühle, Familie Läufer …

…und natürlich an die Pedalenspione, mit denen ich auf Tour gehen durfte. Marina Heinrich, Jeanett Czinzoll, Björn Gäde und Ingo Freihorst.

Ich bin zu dieser Tour von der Landleute Agentur eingeladen worden. Herzlichen Dank.

Und hier noch eine Impression vom See … um den übrigens ein Naturlehrpfad führt.

Schaut gern bald wieder vorbei … dann gibt es vielleicht ein wenig Sellin, oder Sandau, oder Havelland … oder oder oder. Bleibt schööööön neugierig.

Meine Reiseerlebnisse teile ich regelmäßig auf Instagram (tripp_tipp.de) und Facebook (Tripp Tipp)

 

Autorin: Sandra Hintringer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4 Kommentare

  • Hallo Ihr Pedalenspione,
    das ist ein prime Bericht über Klietz, der neugierig auf das Örtchen macht.
    Wenn ich das schreibe, weiß ich, wovon ich rede.

    Aus Eurem Betrag konnte ich nicht entnehmen, wer der Verfasser ist.
    Gern würde ich den Bericht, nebst Fotos auf unserer Internetseite veröffentlichen.
    Er würde auf der Startseite unten rechts angekündigt werden und mit einem
    Klick dann vollständig zu lesen sein.
    Dafür brauche ich aber Euer o.k. Schreibt mir bitte den Namen des Verfassers und ob ich es darf.

    Beste Grüße
    Lothar Schirmer

    Antworten
    • Werter Herr Schirmer. Danke für das positive Feedback zum Klietzbeitrag. Die Verlinkung haben wir ja per mail geklärt – den Link im Kommentar habe ich entfernt, ich mag einfach auf diesem Blog keine ungefragte Werbung. Vielen Dank für´s Verständnis – Sandra Hintringer

      Antworten
  • Ich bin in Klietz aufgewachsen und hatte eine schöne Kindheit. Fahre auch immer noch gerne dorthin, Heimat bleibt Heimat.

    Antworten
  • Wir haben bis vor drei Jahren in den Nachbarorten Schönfeld, nach dem Hochwasser in Schönhausen gelebt und haben gute Freunde in Klietz. Es ist ne nette Gegend dort, schön ruhig, viel Natur. Hat uns gut gefallen.

    Antworten

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